The Resident
Film-Besprechung von Michael Drewniok
Nachdem Rettungsärztin Juliet Dermer von ihrem Freund Jack betrogen wurde, gestaltet sich die Wohnungssuche schwierig. Im New Yorker Stadtteil Brooklyn ist erschwinglicher Wohnraum knapp. Juliet schätzt sich daher glücklich, als sie in einem alten, aber schönen Haus erstaunlich günstig eine ganze Zimmerflucht mieten kann. Hausherr Max ist freundlich und attraktiv, und Juliet verliebt sich sogar ein wenig in ihn.
Allerdings kann und will sie Jack nicht vergessen. Dieser empfindet ähnlich und bemüht sich um eine Aussöhnung. Juliet geht darauf ein und bemerkt darüber nicht, wie hart sie Max damit trifft. Dieser sieht in ihr die Frau seines Lebens und reagiert nicht nur eifersüchtig, sondern auch psychotisch: Max ist wie sein Vater geisteskrank und wurde bisher von seinem Großvater August scharf kontrolliert.
Doch August ist nach einem Schlaganfall geschwächt und kann Max nicht länger im Zaum halten. Der hat überall Löcher in die Wände gebohrt, durch die er ‚seine‘ Juliet beobachtet. Darüber hinaus legt er heimliche Zugänge an. Abends versetzt er Juliets Wein mit einem Betäubungsmittel, und nachts legt er sich zu ihr ins Bett.
Allmählich wird Juliet misstrauisch. Ständig ist sie müde und verschläft den Dienstbeginn. Sie lässt ihr Blut auf Drogen untersuchen und versteckt Kameras in ihrer Wohnung, um eventuellen Umtrieben auf die Spur zu kommen. Endlich erfährt sie, was und wie ihr geschieht, aber da Max inzwischen endgültig den Verstand verloren hat, kommt der Augenblick der Erkenntnis ein wenig zu spät und mündet in einen erbitterten Kampf, den nur eine - oder einer - überleben wird ...
Hammer-Film mit Nagel-Pistole
Bereits die Inhaltsangabe macht es mehr als deutlich: „The Resident“ ist ein Psychothriller, dessen Story mindestens jeder zweite Zuschauer mitsingen kann. Wie auf Schienen läuft die Handlung einem Finale entgegen, das sogar auf den König der Klischees - den bereits mausetoten Finsterling, der brüllend noch einmal nach der Heldin schnappt - nicht verzichtet. Seit es den Spielfilm gibt, lugen Finsterlinge durch Gucklöcher und gieren ahnungslosen Opfer weiblichen Geschlechts hinterher; parallel dazu verspüren diese den permanenten Drang, sich zu entkleiden, einzucremen oder zu baden; gern tun sie dies gleichzeitig bzw. nacheinander, was den Zuschauer zum (hoffentlich) unfreiwilligen Verbündeten des Voyeurs macht. Auch Hilary Swank enthält uns - obwohl züchtig durch Wasserdampf vernebelt, der sich auf einer Kameralinse niederschlägt, die sonst selbst in staubiger Dunkelheit glasklare Bilder liefert - den Anblick ihres schönen Körpers nicht vor.
Die Story ist simpel; ein Kammerspiel, das nur wenige Darsteller benötigt, die in ihren Rollen so präsent sein müssen, wie Schauspieler es lieben. Der Schauplatz ist übersichtlich und fordert dadurch auch den Drehbuchautor und den Regisseur heraus: Wie kann ich der räumlichen Begrenzung eine spannende Geschichte abtrotzen? Auch der Produzent ist fröhlich, denn das Ambiente sorgt für ein angenehm niedriges Budget.
Freilich bleibt der Handlungsspielraum limitiert. Die erste Hälfte unseres Films vergeht, während wir den Voyeur bei seinen Streifzügen beobachten. Er begeht dabei Fehler, und sein Opfer beginnt Verdacht zu schöpfen. In der zweiten Hälfte schlägt die böse Ahnung in Gewissheit um. Die Maske fällt, und es mündet in einem Duell zwischen Jäger und Wild. Da der Spanner immer auch Spinner ist, geht es dabei turbulent und gewaltreich zu. Schließlich siegt das blutverschmierte Opfer, während sein Peiniger übel zugerichtet auf der Walstatt zurückbleibt.
Auf Nummer Sicher, aber auf den Leim gegangen
Es ist schwer nachvollziehbar, was Hilary Swank am „Resident“-Stoff gereizt haben mag. Natürlich fallen tolle Rollen auch für zweifache Oscar-Preisträgerinnen nicht vom Hollywood-Himmel. Die schon erwähnte Präsenz der weiblichen Hauptrolle mag zusammen mit dem nicht originellen, aber soliden Plot den Ausschlag gegeben haben. Juliet Dermers Schicksal bietet Swank - die auch als „Executive Producer“ im Abspann erscheint - eine Möglichkeit, alle schauspielerischen Register zu ziehen. Erwartungsgemäß leistet sie einen guten Job. Dem schließt sich Jeffrey Dean Morgan als freundlicher, aber irrer Max und männlicher Gegenpart an. Die übrigen Darsteller sind gesichtslose Platzhalter und können an dieser Stelle unerwähnt bleiben.
Was nützt Einsatz, wenn das Drehbuch nichts taugt? Swank und Morgan überspielen viele Brüche und Logiklöcher, aber sie kämpfen letztlich gegen Windmühlenflügel. Hinzu kommt die allgemeine Trägheit der Story, die weder inhaltlich noch in der Umsetzung überraschen kann. Stets ist die Kamera so positioniert, dass der Zuschauer weiß, dass gleich etwas ‚Schockierendes‘ geschehen wird. Wer immer noch nicht begriffen hat, wird durch die anschwellende Filmmusik vorgewarnt.
Hitparade der Dümmlichkeiten
In der zweiten Filmhälfte wird die Langmut des Publikums endgültig überfordert. Die Handlung erfährt einen Kniekehlenschlag, von dem sie sich nicht erholt: Nachdem sich Juliet und Max nähergekommen sind, ist plötzlich Schluss. Verwirrt fragt sich der Zuschauer, ob und was er versäumt hat. Aber nicht ihn trifft die Schuld: Das Drehbuch würgt die aufkeimende Beziehung abrupt und begründungsschwach ab. Stattdessen lässt sich Juliet, die „starke Frau“ des 21. Jahrhunderts, binnen Sekunden vom betrügerischen Jack um den Finger wickeln und schlüpft zurück in die Rolle des liebenden Weibchens.
Freilich ist diese Juliet Dermer auch sonst nicht die Hellste. Der verliebte Max poltert Nacht für Nacht durch ihre Wohnung, betäubt sie, sticht sie mit Spritzen und vergeht sich an ihr, aber ihr geht erst ein Licht auf, als die installierte Kamera sie ins Bild setzt. Zuvor wurde ihr im Krankenhaus bestätigt, dass man sie unter Drogen setzt. Wie würde der normale Zeitgenosse nun handeln? Die Polizei benachrichtigen? Aber nein: Juliet hält den Mund und eilt in ihre Wohnung, wo Max schon auf sie wartet. Das hat zwar mit Logik rein gar nichts zu tun, aber es wird Zeit für das Finale.
Nunmehr schaltet Regisseur und Drehbuch-Mitautor Antti Jokinen auf Autopilot. Juliet durchbricht buchstäblich die Wand und rückt dem Peiniger auf den Leib. Der verwandelt sich, den Konventionen des B-Movies entsprechend, in einen unkaputtbaren Wüterich, dem Juliet u. a. ein Messer und eine Riesenscherbe in den Leib rammt und den sie mit Nägeln durchlöchert, ohne ihn damit stoppen zu können.
Weiter, weiter, das Ende naht!
Umgekehrt ist auch Juliet hart im Nehmen. Der bärenhafte Max haut ihr aufs Maul und wirft sie gegen Wände, aber sofort rappelt sie sich wieder auf, entschlüpft durch ein weiteres Rattenloch oder rammt ihm das Knie ins Gemächt. Glücklicherweise hat Max sein Labyrinth in den Zwischenwänden gut beleuchtet, sodass der Zuschauer nichts davon verpasst.
Immer heftiger wogt der Kampf - dann sind er und der Film plötzlich am Ende. Ein letztes Mal bäumt sich Max auf, Juliet gibt ihm den Rest, und die Schlusstitel laufen an, während der Zuschauer belämmert auf die unendliche Namensliste der an diesem Routinefilmchen Beteiligten blickt und sich betrogen vorkommt. Das war’s? Wo ist der oft geschmähte Schlusstwist, wenn man ihn wirklich braucht? Handwerklich sauber in Szene gesetztes Mittelmaß ist kein Ersatz für eine spannende Auflösung. Hier obsiegt stattdessen die endgültige Ratlosigkeit des Autors, dem sich die Beteiligten vor und hinter der Kamera resigniert anschließen.
Wiedergänger und Unsterbliche
Die Geschichte der britischen „Hammer Film Productions“ ist eng mit der Biografie des Schauspielers Christopher Lee (1922-2015) verknüpft. Durch ihn kam das Unternehmen in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre zu Weltruhm. In zeitgemäß brutalisierten Horrorfilmen spielte Lee die großen Gestalten der Genre-Geschichte - Dracula, Frankensteins Monster, die Mumie - in Serie. Lee begleitete „Hammer“ auch in den Untergang; 1976 drehte er „To the Devil a Daughter“ (dt. „Die Braut des Satans“), dann fiel der Hammer, die Firma ging bankrott. Kurz lebte der kultträchtige Name in den 1980er Jahren auf, als zwei TV-Serien („Hammer House of Horror“ bzw. „Hammer House of Mystery and Suspense“) sich seiner bedienten, doch erst 2008 wurde das Unternehmen für das Kinogeschäft wiederbelebt. „The Resident“ war der zweite der ‚neuen‘ „Hammer“-Filme.
Christopher Lee war in seinem neunten Lebensjahrzehnt weiterhin kregel und gut im Geschäft. So lag es nahe, ihn als Leitfossil und Bindeglied zwischen den ‚alten‘ und den ‚neuen‘ „Hammer Films“ anzuheuern. In „The Resident“ mimt er Großvater August; eine reine Cameo-Rolle, die für das Geschehen irrelevant ist und von Lee mit der Routine eines Veteranen gegeben wird, der mehr als 250 Rollen in Filmen gespielt hat, die viel, viel schlechter, aber oft deutlich unterhaltsamer als „The Resident“ waren. Vom alten Glanz waren (und blieben) die neuen „Hammer Films“ schrecklich weit entfernt.
Features
Der Trailer zum Hauptfilm und einige kümmerliche Texttafel-Infos zu diversen Darstellern: Mit diesen „Extras“ wird der Zuschauer auf DVD und Blu-ray abgespeist - deutlicher Hinweis auf einen Film, der trotz qualitativ hochwertiger Produktion und einer renommierten Hauptdarstellerin nicht ins Kino kam. Diese Entscheidung lässt sich nachvollziehen. Da „The Resident“ ursprünglich für die große Leinwand gedreht wurde, profitiert der Zuschauer immerhin durch ein ausgezeichnetes Bild und einen erstaunlichen Ton.
Fazit
Zwar handwerklich sauber inszeniert und gut besetzt, bleibt „The Resident“ ein Thriller von der Stange; man hat alles schon viel zu oft gesehen, Überraschungen gibt es nicht: Gruselmainstream-Mittelmaß.
Wertung: 5
Bilder: © Constantin Film
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