No Man’s Land - The Rise of Reeker

Film-Kritik von Michael Drewniok / Titel-Motiv: © Mediacs

Stinkender Handlanger des Todes

Den Losern Alex, Binky und Carlos gelang eher zufällig ein Geldraub. Auf ihrer Flucht durchqueren sie die Mojave-Wüste im Westen der USA. Der tumbe Alex schmachtet seiner Ex-Geliebten, der schönen Maya, hinterher. Sie hat es nach der Trennung als Kellnerin in das öde Wüsten-Motel „6 Corners“ verschlagen. Dort will das Trio unterschlüpfen.

Ausgerechnet an diesem Tag führt Sheriff McAllister seinen Sohn und Nachfolger Harris im „6 Corners“ in die Amtsgeschäfte ein. McAllister gilt als Held, seit er vor dreißig Jahren den brutalen „Death Valley Drifter“ stellen konnte. Dass der Mörder ankündigte, nach seinem Tod als „Seelenfänger“ zurückzukehren, um für den Sensenmann außerplanmäßig entkommene Zeitgenossen zu schnappen, hielt der Senior für Spinnerei.

Doch der „Drifter“ kam zurück - als „Reeker“, der halb verwest, übel stinkend und unter Einsatz möglichst grausamer Methoden dem genannten Job nachgeht. Dass eine Schießerei zwischen den Räubern und den McAllisters mit der Explosion der Motel-Tankstelle endet, ruft ihn auf den Plan. Mit den Genannten in einem Reich zwischen Leben und Tod, aus dem Flucht unmöglich ist, finden sich noch Maya und die Ärztin Allison wieder.

Die sieben Pechvögel erfassen allmählich, was ihnen droht: Der „Reeker“ wird sie alle töten! Ausschalten lässt er sich nur, wenn sein Körper zerstört wird; eine schwierige Aufgabe, die eine Einigkeit fordert, welche sich nicht einstellen will. Dem „Reeker“ fällt es leicht die Reihen seiner Opfer zu lichten, obwohl sich diese sehr einfallsreich ihrer Haut zu wehren versuchen ...

Alles zurück auf Anfang?

2005 inszenierte Regisseur und Drehbuchautor Dave Payne mit seiner späteren Ehefrau Tina Illman in der Hauptrolle (sie wechselte für „No Man’s Land“ in die Position einer Produzentin) „Reeker“, einen nie innovativen, aber grundsoliden Horrorfilm mit spannender Story, drastischen Effekten und guter Besetzung. Der verdiente Erfolg stellte sich ein, „Reeker“ wurde von einer erquicklich großen Zuschauerschar zur Kenntnis genommen.

Für Payne brachte dies trotzdem nicht den Durchbruch. Drei Jahre später kehrte er mit einem neuen Film auf die Leinwand zurück, der bei näherer Betrachtung nichts als die Variation des Vorgängers ist. „No Man’s Land“ war außerdem der Versuch ein Franchise ins Leben zu rufen. Der „Reeker“ sollte zur Kultfigur à la Freddy Krueger oder John Kramer aufgebaut werden.

Das ist schade, denn obwohl „No Man’s Land“ erneut unterhaltsam ist, wird der Schematismus des Konzepts bereits überdeutlich. „Reeker“ war ein Film, der seine Story erzählt hatte. Eine Fortsetzung konnte nur die Modifikation des längst Bekannten werden. Erneut spielt die Handlung in einem isolierten Motel in der Wüste; es könnte sogar identisch mit dem aus „Reeker“ sein. Die Kulisse ist abermals gut gelungen und wird klug ins Geschehen integriert. Das Gezeigte hat seinen Sinn, „No Man’s Land‘ ist ein Film, den man nicht im Halbschlaf verfolgen sollte, spielt sich die Story doch auf mehreren Ebenen ab. Was zunächst rätselhaft erscheint, fügt sich nachträglich in ein stimmiges Gesamtbild ein - theoretisch, denn tatsächlich sind dem Drehbuchautor diverse Schnitzer unterlaufen.

Abwechslung als Mangelware

Natürlich sind Payne die Parallelen zwischen „Reeker“ und „No Man’s Land“ durchaus bewusst. Er weicht insofern von der Vorlage ab, als er seine Figuren dieses Mal durchschauen lässt, in welcher Situation sie sich befinden. Dies prägt ihre Handlungen, wirkt aber unrealistisch - und es mindert die Spannung, die aus der Frage resultiert, was eigentlich vor sich geht.

Verhängnisvoll ist Paynes Entscheidung, dem „Reeker“ eine Biografie zu geben. Im ersten Film blieb er ohne erklärende Hintergrundgeschichte. Die Entscheidung, was der „Reeker“ war oder sein könnte, blieb dem Zuschauer überlassen, was immer eine gute Idee ist. Jetzt wird die Fantasie buchstäblich in Fesseln geschlagen: Der „Reeker“ ist ein ehemaliger Serienmörder, der für den Tod arbeitet. Damit er in aller Ruhe metzeln kann und seinen Opfern ein Entkommen unmöglich wird, stülpt er eine Art Käseglocke über den Ort seiner Untaten.

Wer will wissen, dass der „Reeker“ ein Dienstmann des Todes ist? Das ‚offene‘ Ende von „No Man’s Land“ ist folgerichtig gleichzeitig Verheißung einer weiteren Fortsetzung mit einem ‚neuen‘ „Reeker“. Auf diese Weise könnte das Franchise lange funktionieren und erbarmungslos zu Tode geritten werden.

Licht im Ideen-Dunkel

„No Man’s Land“ sorgt dennoch für Überraschungen, d. h. unerwartete Wendungen, die Payne in ansprechende Bilder zu verpacken weiß. Obwohl dies eine Low-Budget-Produktion ist und in 22 Tagen heruntergekurbelt werden musste, gibt der Film zu handwerklicher Kritik keinen Anlass.

Wobei der Auftakt einen ganz anderen Film als den verheißt, den wir dann zu sehen bekommen: Selten ist in letzter Zeit ein irrwitziger Mord so plakativ und blutig in Szene gesetzt worden wie die erste Untat des noch lebendigen „Reeker“. Immer wieder erwartet man, dass die Kamera wegschwenkt, doch es wird immer scheußlicher.

Dennoch ist „No Man’s Land‘ kein klassischer Splatter, auch wenn es später noch mehrfach hart zur Sache geht. Die Brutalität ist Teil der Handlung und wird ihr nicht aufgepfropft. Sie wirkt zudem nie übertrieben. Manchmal schlägt der Horror sogar in Komik um. Dies geschieht nicht unfreiwillig, sondern ist von Payne so gewollt. Freilich übertreibt er es und zerstört die ansonsten sorgfältig gewahrte Stimmung; so mutiert der fiese Binky allzu unmotiviert zur Witzfigur.

Die wichtige Wahl der richtigen Darsteller

Sicherlich aufgrund des Erfolgs von „Reeker“ gelang es Payne einige (leidlich) bekannte Schauspieler zu casten. Darsteller wie Michael Muhney, Desmond Askew oder Stephen Martines arbeiten viel für das US-Fernsehen sind einen schnellen Dreh gewohnt. Robert Pine, der den älteren Sheriff McAllister mimt, ist sogar ein echter Veteran, dessen Filmliste weit über 200 Einträge aufweist.

Für ein unerwartetes Problem sorgt Mircea Monroe: Sie ist zu hübsch für ihre Rolle. Eine vom Leben arg gebeutelte Kellnerin auf der Flucht vor der Vergangenheit nimmt man ihr nicht ab. Sie wirkt sogar bezaubernd, wenn sie die verstopfte Motel-Toilette repariert - ein Manko, mit dem sich die zwar ebenfalls ansehnliche aber weniger puppenhafte Alison Cruz nicht plagen muss.

Für ein darstellerisches Highlight sorgt Michael Robert Brandon in der kurzen, aber markanten Rolle des „Death Valley Drifters“. Aus einem Spießer wird plötzlich ein wahnsinniger Killer, der in seiner offensichtlichen Harmlosigkeit stärker erschreckt als in seiner Inkarnation als „Reeker“. Der ist ganz klassisch das Monster mit verrotteter Haut und gesichtslos unter seiner Gasmaske. Dass er als solches sogar im hellen Sonnenlicht auftreten kann und trotzdem nicht lächerlich wirkt, verdankt er einem (schon im ersten Teil kreierten) verfremdeten Erscheinen, das ihn in Bildsprüngen und wie durch flirrend heiße Luft verzerrt zeigt.

Die Logik als Spaßbremse

Weiter oben wurden bereits Drehbuchschnitzer angedeutet. Gemeint sind damit nicht jene Unwahrscheinlichkeiten, die zum integralen Element des Horror-Genres gehören und in der turbulenten Handlung untergehen. Schlecht ist es dagegen, wenn die Klopfer so ausgeprägt sind, dass sie sich beim besten Willen nicht ignorieren lassen.

Dave Payne gibt sich große Mühe mit einer Handlung, die nur bedingt geradlinig erzählt wird. Die Realität dringt mehrfach in das Zwischenreich des Hauptgeschehens ein, wobei die chronologische Folgerichtigkeit nicht immer gewahrt bleibt. (Für die Dummen zeigt Payne im Finale das tatsächliche Drama im Zeitraffer; in „Reeker“ war ihm das 2005 ohne diesen plumpen Kniff gelungen.)

Während er im Großen und Ganzen erfolgreich bleibt, patzt er im Detail:

- Soll das wirklich ein Atombunker unter dem „6 Corners“ sein, dessen sandkuchenmürbe Wand sich binnen Minuten mit einer simplen Spitzhacke einreißen lässt?

- Glauben unsere Helden ernsthaft an die Wirksamkeit einer Todesfalle, die aus einer mit Benzin gefluteten Toilettenschüssel besteht, welche an einen Propangastank geflanscht wurde?

- Wieso stolpert ein sterbender Krankenhauspatient, der an einem völlig anderen Ort endete und mit den Ereignissen im Motel rein gar nichts zu tun hat, über das Gelände?

- Wer hinterließ im Gästebuch des „6 Corners“ die vielen hilfreichen Hinweise auf die Existenz und das Treiben des „Reeker“?

Das ist nur eine Auswahl von Fehlern, die dem Zuschauer aufstoßen. Macht man sich von allzu großen Erwartungen frei, ist „No Man’s Land“ freilich ein Horrorfilm, den man sich anschauen kann, ohne sich anschließend betrogen und veralbert zu fühlen. Das ist angesichts der Blindgänger, die dieses Genre (kenn-) zeichnen, durchaus als Lob zu betrachten. Für Dave Payne und Tina Illman zahlte sich ihr Einsatz offensichtlich nicht aus. Er inszeniert seither sporadisch TV-Episoden, und sie ist gänzlich vom Film-Radar verschwunden.

Features

Neben dem üblichen Trailer (sowie dem Trailer zum Vorgängerfilm „Reeker“) wurden drei Featurettes auf die Disc gebrannt:

„Hinter den Kulissen“ ist identisch mit einem „Making of“, wobei informative Bilder von Aktivitäten hinter der Kamera durch nichtssagende und von plumper Werbung strotzende Äußerungen der Hauptdarsteller und des Regisseurs konterkariert werden.

Wesentlich witziger ist die Featurette „Das Team“. Nicht die ‚wichtigen‘ Beteiligten wurden interviewt, sondern das ‚Fußvolk‘, das normalerweise höchstens im Abspann Erwähnung findet: der Beleuchter, der Handwerker, die Mikrophongalgen-Halterin, die Caterer, der Fahrer. Sie stellen sich kurz vor und charakterisieren ihre Tätigkeiten, wobei die Ungezwungenheit der vor der Kamera gar nicht professionellen Männer und Frauen sehr erfrischend wirkt.

„Cast und Crew“ ist ein kleiner Spaß: Schauspieler und Crew werden nach Dingen gefragt, die ihnen Angst bereiten. Die Palette reicht von „Arbeitslosigkeit“ bis „Disco kehrt zurück“ und dokumentiert die harmonische Zusammenarbeit einer kleinen und in der Wüsten-Wildnis weitgehend auf sich gestellten Mannschaft von Fachleuten und Enthusiasten.

Dem Mediabook liegt außerdem ein zwanzigseitiges Booklet von Mike Blankenburg bei.

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Cover: © Mediacs

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