How to Talk to Girls at Parties

Film-Kritik von Marcel Scharrenbroich / Titel-Motiv: © Nameless Media / Eurovideo

Musik verbindet… Welten

„I Wanna Be Your Boyfriend“ (RAMONES; 1976)

Die Punk-Welle der 70er schwappte auch bis in Londons Vorort Croydon, wo man sich feierlich auf das Silberne Thronjubiläum der Queen vorbereitet. Damit haben Henry (Alex Sharp), genannt Enn, und seine Freunde Vic (Abraham Lewis) und John (Ethan Lawrence) aber herzlich wenig am Krönchen, denn für sie zählt nur der Punk. Sex Pistols, die Ramones & Co. … egal, Hauptsache es ist laut und anarchisch. In stickigen, dunklen Kellern schwitzt und grölt man sich die Seele aus dem Leib. So soll es nach einem launigen Club-Abend auf einer Afterparty der abgewrackten Promoterin Queen Boadicea (Nicole Kidman) noch weitergehen, doch nachts sind alle Straßen in Croydon grau und man verläuft sich. Angelockt von Musik und offensichtlichem Party-Treiben, denken sich die Jungen am Ziel ihres Weges, aber… falsch gedacht. Stattdessen platzen sie in eine Sause der komplett abgedrehten Art. In einer alten Villa ziehen bunte Freaks zwischen Akrobatik und Fetisch ihr ganz eigenes Ding ab, was Enn, Vic und John mit offenen Mündern und großen Augen staunen lässt.

Abseits des Trubels macht Enn dann die Bekanntschaft von Zan (Elle Fanning). Sofort fühlt er sich von der blonden Schönheit angezogen, was auf Gegenseitigkeit zu beruhen scheint. Von ihr erfährt er, dass ihre gesamte Truppe sich auf einer ausgedehnten Erkundungsreise befindet und kurz davor ist, in die Heimat zurückzukehren. Da die Zeit drängt und die neugierige Zan unbedingt mehr darüber erfahren möchte, was dieser mysteriöse „Punk“, von dem Enn so schwärmt, denn nun ist, brechen die beiden auf eine Odyssee in die Nacht auf. Was Enn allerdings noch nicht ahnt, ist, dass Zan und ihre Mitreisenden von viel, viel weiter her kommen als der menschliche Verstand sich vorstellen könnte…

„What Do I Get?“ (BUZZCOCKS; 1978)

Man bekommt tatsächlich eine Menge, wenn man sich voll drauf einlässt. Cineasten wird die Produktionsschmiede A24 mit Sicherheit nicht fremd sein, gehen doch namhafte Filme wie „Hereditary“, „Midsommar“, „Moonlight“ oder „The Green Knight“ auf deren Konto. Auch die Ausnahmetitel „Der Leuchtturm“, „Under the Silver Lake“ und „Ex-Machina“ stammen aus der kreativen A24-Wundertüte (bzw. wurden von ihr vertrieben), womit man immer wieder beweist, dass es sich durchaus lohnen kann, abseits von Mainstream-Blockbustern die Augen offen zu halten. Quer durch alle Genres gibt es Skurriles, Bizarres, Gefühlvolles und durchaus Angsteinflößendes zu entdecken. Der bereits 2017 in Cannes uraufgeführte „How to Talk to Girls at Parties“ bildet da keine Ausnahme und bedient die meisten dieser Kategorien. Zwischen der Coming-of-Age-Story von Jugendlichen im London der 70er, ausschweifender Punk-Rebellion und dem entsprechenden Lebensgefühl einer ganzen Generation, ist noch immer Platz für eine zarte Romanze… und sehr viel Science-Fiction. Auch wenn A24 den Film nur für den US-Markt vertrieben hat, ist ein Interesse an dem Stoff Beweis genug, dass es hier durchaus unkonventionell zur Sache geht. Für mich persönlich mittlerweile ein Qualitätssiegel, wenn es um cleveres und experimentierfreudiges Kino abseits der Norm geht.

Die Liebesgeschichte zwischen Enn und Zan ist dann auch das Herzstück der Story. Dass diese so hervorragend funktioniert, ist einzig den glaubhaften Hauptdarstellern zu verdanken. Der sympathische Jedermann-von-nebenan Alex Sharp und die zuckersüße Elle Fanning, deren Figur mit naiver Neugier das irdische Leben entdeckt, harmonieren perfekt. Der 1989 geborene Engländer Sharp wurde durch das Broadway-Stück „The Curious Incident of the Dog in the Night-Time“, basierend auf dem Buch von Mark Haddon, bekannt und erhielt für seine Darstellung den renommierten Tony-Award. „How to Talk to Girls at Parties“ war erst sein zweiter Ausflug in die Filmwelt, während seine Leinwand-Partnerin da schon auf eine längere Karriere zurückblicken kann. Die heute 23-jährige Elle ist die jüngere Schwester von Dakota Fanning, die 2001 mit dem Drama „I Am Sam“ an der Seite von Sean Penn und Michelle Pfeiffer durchstartete. Elle durfte ihre große Schwester dort bereits als Zweijährige doubeln, bevor ihre eigene Karriere durch J. J. Abrams‘ Sci-Fi-Abenteuer „Super 8“ im Jahr 2011 an Fahrt aufnahm. Zuvor war sie bereits in diversen TV-Serien und der sehenswerten Mini-Serie „The Lost Room“ zu sehen. Schnell folgten größere Filme wie „Wir kaufen einen Zoo“, „Maleficent“ und Nicolas Winding Refns „The Neon Demon“. Um Familie Fanning braucht man sich also keine Sorgen machen.

Unbedingt sollten aber die Nebenrollen erwähnt werden. Nicht nur, dass Hollywood-Diva Nicole Kidman offensichtlich diebische Freude hatte, ihre Rolle in dieser Indie-Produktion irgendwo zwischen Punk-Ikone Vivienne Westwood und Cruella de Vil anzulegen, es sind vor allem die besten Freunde von Enn, die die humorvollen Momente des Films bereichern. Speziell der selbsternannte Womanizer Vic, gespielt von Abraham Lewis, hat die Lacher auf seiner Seite, nachdem er seine ganz eigene Begegnung der dritten Art gemacht hat.

Die Kostümdesigner durften sich ebenfalls voll austoben und haben zwischen siffigen Punk-Looks und farbenfrohem Latex-Fummel ganze Arbeit geleistet. Hinzu kommen zotige Sprüche und jede Menge Musik. Dass der Film - auf DVD und Blu-ray im Januar 2022 von NAMELESS und im Vertrieb von EUROVIDEO veröffentlicht – eine FSK 16-Freigabe trägt, ist trotz des Romantik-Faktors der derben Sprache und so mancher expliziten Szene geschuldet.

„Complete Control“ (THE CLASH; 1977)

Regie führte der noch recht unverbrauchte Filmemacher John Cameron Mitchell, der auch als Schauspieler, Autor und Sprachrohr der LGBTQ+ Community aktiv ist. 2001 machte er mit der Verfilmung seines Off-Broadway-Musicals „Hedwig and the Angry Inch“ erstmalig als Regisseur auf sich aufmerksam. Beim 2010 erschienenen Drama „Rabbit Hole“ arbeitete er bereits mit Nicole Kidman zusammen, die für ihre Darstellung für einen Oscar nominiert wurde. Zuletzt inszenierte er Episoden der Serien „Nurse Jacky“ und „Glow“. Das Drehbuch zu „How to Talk to Girls at Parties“ schrieb Mitchell gemeinsam mit Philippa Goslett, Produzentin der Serie „The Nevers“. Die Handlung entsprang jedoch nicht ihrer Feder, sondern basiert auf einer Kurzgeschichte von Neil Gaiman. Gaiman ist in der Phantastik alles andere als ein unbeschriebenes Blatt und neben den literarischen Vorlagen für Filme wie „Der Sternwanderer“, „Coraline“ und den Serien „American Gods“ und „Good Omens“ auch für zahlreiche Comics verantwortlich. Sein wohl bekanntestes Werk „Sandman“ (in neun Deluxe-Bänden bei PANINI erschienen) ist mittlerweile zu einem ganzen Universum expandiert und galt seit 1991 und nach vielen misslungenen Versuchen als unverfilmbar. Das hat sich mittlerweile geändert und dank einer Zusammenarbeit mit NETFLIX soll Gaimans Mammutwerk noch 2022 in Serie gehen. Eine kleine Rolle soll auch John Cameron Mitchell darin verkörpern.

Neil Gaiman war als Produzent auch in die Entwicklung von „How to Talk to Girls at Parties“ eingebunden. Aus seiner nur 18-seitigen Kurzgeschichte aus dem Jahr 2006 wurde so eine ausgedehnte Story, die über die komplette Laufzeit des Films wunderbar getragen wird. 2016 wurde die Geschichte von den brasilianischen Zwillingen Gabriel Bá und Fábio Moon als Comic umgesetzt. Die 64-seitige Adaption erschien im US-Verlag DARK HORSE. Bá, seines Zeichens Zeichner des erfolgreichen Comics „The Umbrella Academy“ (komplett bei CROSS CULT veröffentlicht), und Moon räumten alle wichtigen Awards mit ihrem einflussreichen Werk „Daytripper“ (auf Deutsch bei PANINI als Gesamtausgabe erhältlich) ab.

Fazit

„How to Talk to Girls at Parties“ ist einer dieser Filme, von denen man bislang nicht wusste, dass man sie im Leben brauchte. Skurril ohne Ende und vollgepackt mit schrägen und extravaganten Ideen. Definitiv KEIN Streifen von der Stange, sondern Feelgood-Unterhaltung vom anderen Stern… mit einem unglaublich schönen Epilog. Einfach mal blind und unvoreingenommen drauf einlassen. Oder um es mit Nicole Kidmans Worten zu sagen: „Evolve… or die!“

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Fotos: © Nameless Media / Eurovideo

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Nicht zuletzt durch den Erfolg der Streamingdienste ist die Anzahl von Filmen und Serien rund um die Phantastik im TV - als Serie oder Film - enorm gestiegen. Und ebenso ist Bandbreite vielfältiger denn je. Habt ihr derzeit einen Lieblingsfilm oder eine Lieblingsserie? Oder gibt es sogar einen "All-Time-Favorit" - einen Film oder eine Serie, die ihr immer wieder schauen könnt?

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