Halloween - Filmtipps 4
von Marcel Scharrenbroich
WATCH OR TREAT IV oder „Man wird ja wohl noch Lachen dürfen!“
Catch 22
Mal ehrlich, brauchen wir wirklich noch Horrorfilme, wenn wir doch eigentlich nur eine x-beliebige Nachrichtensendung schauen brauchen, um uns mal kräftig zu gruseln? Mehr Krisen als aktuell sind ja kaum noch zu stemmen! Da bleibt selbst für Corona nur noch ein Platz auf der Reservebank, obwohl trotz medialer Enthaltsamkeit von einem Pandemie-Ende nicht die Rede sein kann. Wer hätte gedacht, dass das grinchige Kremlstilzchen bei den Nachbarn einmarschiert und einen komplett wahnsinnigen Krieg vom Zaun bricht? Dass der unberechenbare Gurkenmann nicht ganz reif unter dem Deckel ist, war ja schon länger offensichtlich, doch dieses unmenschliche Leid, welches er sich einzig und allein ankreiden darf, lässt jeden rational denkenden Menschen einfach fassungslos zurück. Und die Auswirkungen spüren wir alle. Nicht nur, dass uns immer neue Schreckensmeldungen erschaudern lassen, wir gucken auch regelmäßig dumm aus der Wäsche, wenn uns die Kassiererin im Supermarkt bis aufs letzte Hemd auszieht. Die Preise für Lebensmittel (und alles andere) sind explodiert, Tanken wird zum Luxus und das Sparschwein quiekt, weil ihm der Magen knurrt. Beim Heizen, was sich bald wohl eh nur noch die Upper-Class leisten kann, sollen wir einsparen, beim Strom ebenfalls, bevor irgendwann ganz die Lichter ausgehen… was spätestens passiert, wenn wir im Winter alle gleichzeitig unsere Smartphones aufladen, während wir uns mit einer Lagerfeuer-App zumindest warme Gedanken machen. Zu apokalyptisch? Ach was, da komm ich so gut drauf, dass ich gleich eine Dose Erbensuppe gegen den nächsten van Gogh pfeffern möchte! So lange das Oktoberfest in seiner Strahlkraft selbst vom Mond aus zu sehen ist, ein Humpen Hefe-Wasser sich dort immer mehr dem Preis eines gebrauchten Mittelklasse-PKWs annähert, eine geschäftige Unternehmerin namens Layla den Club der Dauer-Empörten im nicht vorhandenen Sommerloch vor Schreck die „Emma“ aus den Händen fallen lässt und uns Ex-Knackis eine abgefuckte WM in einem Emirat schönreden, in dem Menschenrechte einen feuchten Dreck zählen, kann es uns ja soooo schlecht nicht gehen. Verdammt… 2022 war und IST der wahre Horror!
Aber zurück zur Eingangsfrage: Brauchen wir da noch Horrorfilme? Ja, und zwar um die realen Schocks mit ein paar fiktiven runterzupegeln. Und wer sagt, dass Horror immer nur schrecklich sein muss? Also nicht im Sinne von schrecklich wie „Halloween Ends“, in dem man uns zum großen Finale einen Typen vorsetzte, den wir nie kennenlernen wollten, sondern die Art von schrecklich, die uns für rund 90 Minuten das Blut in den Adern gefrieren lässt. Aber selbst das muss nicht zwingend sein. Horror hat nämlich viele Facetten. Und diesen glücklichen Umstand nehme ich mal zum Anlass, um Euch ein paar ausgewählte Genre-Spezialitäten aus der privaten Favoritenliste vorzustellen. Darunter familientaugliche Vertreter, Klassiker und so manches Guilty-Pleasure. Beginnen wir mit einem quietschbunten Spaß, der gleich alle drei Kategorien bedient:
„Die Munsters: Gespensterparty“
(OT: „Munster, Go Home!“; USA 1966)
Neben der Addams Family sind die Munsters aus der Mockingbird Lane ein weiteres Paradebeispiel einer typischen US-Familie. Naja, fast. Sieht man mal davon ab, dass Familienoberhaupt Herman einst einem gewissen Dr. Frankenstein vom Tisch gehüpft ist, Gattin Lily und deren Vater aus der „Blut“linie der Geschöpfe der Nacht entstammen und Sohn Eddie bei Vollmond gern selbigen anjault. Einzig Nichte Marylin scheint da mit ihrer erschreckenden Normalität aus der Art geschlagen zu sein.
Nichtsdestotrotz halten die Munsters stets zusammen, auch wenn die Nachbarschaft sie lieber aus der sicheren Entfernung grüßt. Gemeinsam geht es dann auch auf große Reise, denn ein entfernter Verwandter von Herman (Fred Gwynne) hat das Zeitliche gesegnet. Überraschend hat er dem Nachfahren das englische Anwesen Munster-Hall vermacht, was Herman obendrein den Titel „Lord“ einbringt. Lily (Yvonne De Carlo) fällt es schwer, die überschwängliche Vorfreude ihres Gatten zu zügeln, und so werden schnell Hobby-Chemiker Sam (Al Lewis) sowie die Kinder Eddie (Butch Patrick) und Marilyn (Debbie Watson) eingepackt, bevor man dem hauseigenen Drachen Spot eilig Lebewohl sagt. Schon die Überfahrt auf einem Passagierschiff sorgt für Turbulenzen, sind jedoch noch gar nichts gegenüber dem, was die Munsters in ihrem neuen Heim erwartet. Cousin Freddie (Terry-Thomas), welcher in der Erbfolge eigentlich an höchster Stelle stände, ist von dem neuen Lord des Hauses so gar nicht begeistert. Ebenso wenig dessen Schwester Grace (Jeanne Arnold) und deren herrische Mutter Lady Effigie (Hermione Gingold). Mit allen Mitteln versuchen sie, die Neuankömmlinge aus dem Anwesen zu vertreiben. Mit wenig Erfolg, denn Amerikaner sind nicht nur von Haus aus hart im Nehmen, sondern im Falle der Munsters eine ganz eigene Liga. Mit lauem Spuk ist ihnen nicht beizukommen, da müssen schon drastischere Mittel her… immerhin haben die englischen Verwandten Leichen ganz ungeahnter Art im Keller.
„Die Munsters: Gespensterparty“ entstand unmittelbar nach der Einstellung der beliebten 60er-Jahre-TV-Serie, die es auf insgesamt 70 Episoden brachte. Neben der Umbesetzung von Nichte Marilyn - die im TV anfangs von Beverly Owen („Die letzte Kugel trifft“) und ab Folge 14 von Pat Priest („Jenseits von Eden“) verkörpert wurde - mit „Tammy“-Darstellerin Debbie Watson, ist wohl der Wechsel zum Farbfilm die größte Veränderung zum Fernseh-Vorgänger. In ihrem ersten Film erstrahlen die Munsters in schönsten Technicolor-Farben. Ein herrlich unbeschwerter Spaß für die ganze Familie, der in einem haarsträubenden Autorennen gipfelt. Nostalgie pur! Auf der qualitativ sehr gelungenen Blu-ray von KOCH MEDIA liegt der Film in zwei Bildfassungen (1.85:1 und 1.33:1) vor.
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„Shaun of the Dead“
(UK 2004)
Jetzt lassen wir die Zombies los! Es wird blutig, dramatisch, spannend, romantisch und vor allem eins: gnadenlos komisch. Der internationale Durchbruch von Regisseur Edgar Wright („Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt“, „Baby Driver“, „Last Night in Soho“) trieft nur so vor (Blut und) britischem Humor und ist eine rabenschwarze Verbeugung vor den Zombie-Klassikern „Die Nacht der lebenden Toten“ und „Dawn of the Dead“ des Regisseurs George A. Romero (1940 – 2017).
Der Endzwanziger Shaun (Simon Pegg) ist Mitarbeiter in einem Elektrowarengeschäft, steckt aber trotz geregelter Arbeit und ausgewogener Sozialkontakte irgendwie im Alltagstrott fest. Wenn kein Date mit Freundin Liz (Kate Ashfield) ansteht, verbringt er die meiste Zeit mit Kumpel und Mitbewohner Ed (Nick Frost) in ihrem Lieblings-Pub, dem Winchester. Sehr zum Leidwesen von Liz, der die dauernden Pub-Aufenthalte gehörig auf die Nerven gehen. Sie möchte einfach mehr vom Leben, mit welchem Shaun sich in seiner kleinen Welt arrangiert zu haben scheint. Also gibt sie ihm kurzerhand den Laufpass. Viel Zeit zum Trübsal blasen bleibt aber nicht, denn schleichend hat sich eine Zombie-Epidemie in London ausgebreitet. Zumindest schleichend für Shaun und Ed, die ihre ewig gleichen Tagesabläufe eh nur auf Autopilot absolvieren. Als sich die Lage zuspitzt, kriegen es aber auch die Couch-Potatoes mit: irgendwas läuft hier gerade mächtig schief. Und während Menschen sich auf Londons Straßen wortwörtlich an die Gurgel gehen, hat Shaun nur zwei Ziele: seine Mom (Penelope Wilton) in Sicherheit bringen und Liz beweisen, dass ein ganzer Kerl in ihm steckt.
Aber wohin, sollte alles nach Plan laufen? Für Shaun und Ed gibt es nur einen Ort, an dem es sicher zu sein scheint… das Winchester. Also werden kurzerhand Shauns Mutter Barbara, sein verhasster Stiefvater Philip (Bill Nighy), Liz sowie deren Mitbewohner Dianne (Lucy Davis) und der heimlich in Liz verliebte David (Dylan Moran) ins Auto verfrachtet. Doch schon der Weg zum Winchester gestaltet sich als wahrer Überlebensk(r)ampf…
In der Sparte der Horror-Komödien ist „Shaun of the Dead“ in Rekordzeit zum Kultfilm avanciert. Gespickt mit Popkultur-Referenzen und unzähligen Genre-Verweisen, kann man diesen rundum gelungenen Zombie-Spaß gar nicht genug loben. Regisseur Edgar Wright, der zusammen mit Hauptdarsteller Simon Pegg („Star Trek“, „Ready Player One“ und seit 2006 im Hauptcast von „Mission: Impossible“) auch das Drehbuch schrieb, beweist mit pfeilschnellen Montagen und einem enormen Gespür für Timing, dass er zu den aktuell fähigsten Filmemachern gehört. Zusammen mit „Hot Fuzz“ und „The World’s End“ bildet „Shaun of the Dead“ die sogenannte „Blood-and-Ice-Cream-Trilogie“ (auch als „Cornetto-Trilogie“ bekannt). Inhaltlich nicht aufeinander aufbauend, vereinen alle drei Filme das Trio Edgar Wright, Simon Pegg und Nick Frost („Attack the Block“, „Fighting with My Family“, „The Nevers“) und nehmen jedes Mal ein anderes Film-Genre auf die Schippe. Speziell in „Shaun of the Dead“ wird nicht mit Konsum- und Sozialkritik gegeizt, wobei der Spaßfaktor trotz dramatischen Wendungen stets an erster Stelle steht. Blutig wie Romero, erfrischend wie Cornetto.
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„Jeepers Creepers“
(USA/Deutschland 2001)
Der Creeper hätte tatsächlich das Potential gehabt, mit den Genre-Ikonen Freddy Krueger, Michael Myers, Jason Voorhees oder Leatherface mitzuhalten. Mit dem aktuellen Machwerk „Jeepers Creepers: Reborn“ hat man das Franchise - nach einem bereits extrem miesen dritten Teil aus dem Jahr 2017 - nun aber endgültig selbst begraben. Billige Ramschware direkt und ungefiltert aus der tiefsten C-Movie-Hölle. Dabei fing alles so gut an… ja, sogar die überraschend starke Fortsetzung des Erstlings konnte 2003 voll überzeugen und lieferte nicht nur eine schlichte 1:1-Kopie des Vorgängers, womit Genre-unüblich nicht auf eine vermeintlich sichere Bank gesetzt und dafür ein erfrischendes Setting vorgelegt wurde. Das Original von 2001 blieb dennoch unerreicht.
Und damit ist „Jeepers Creepers“ ein kultiger kleiner Horror-Thriller, dem seine mehr als zwanzig Jahre kaum anzumerken sind. Und darum geht es:
Trish Jenner (Gina Philips) und ihr Bruder Darry (Justin Long) sind auf dem Weg vom College, um ihre Eltern zu besuchen… die trotz Namensgleichheit überraschenderweise nix mit der Kardashian-Sippe zu tun haben. Während der langen und nicht minder langweiligen Fahrt durch die Pampa vertreiben sie sich die Zeit mit diesem und jenem. Die öde Landstraße verwandelt sich jedoch urplötzlich zum Schauplatz einer kurzen aber rasanten Hetzjagd, als sich ein klappriger Truck an ihre Stoßstange heftet. Mit dröhnend-aggressiver Hupe macht der unbekannte Fahrer zuerst keinerlei Anstalten von den Geschwistern abzulassen, passiert deren Wagen aber letzten Endes doch. Trotzdem hat dieser Schock erstmal gesessen. Gerade haben Trish und Darry diese unbequeme Bekanntschaft verdaut, sehen sie den alten Laster erneut. Dieser Mal aber nicht auf der Straße, sondern neben einer abgelegenen Kapelle. Dort wirft der mit Hut und dunklem Mantel gekleidete Fremde (Jonathan Breck) ein verschnürtes Bündel in ein Rohr, das aus der Erde ragt. Spätestens jetzt fühlen sich die Geschwister wie die Protagonisten in einem waschechten Horrorfilm… zu Recht. Zuerst treten sie aufs Gas, bis sich dann nach einer Weile das schlechte Gewissen meldet. Und die Neugier. Was, wenn in dem Sack wirklich ein Mensch war? Und was, wenn dieser womöglich noch lebt? Mit dem Wissen zu leben, dass sie ein Leben hätten retten können, hätten sie nur die Arschbacken zusammengekniffen, können und wollen die beiden sich nicht anfreunden… und kehren kurzentschlossen zur Kapelle zurück. Nach anfänglichem Zögern wagt Darry einen Blick in das finstere Rohr. Zu dunkel, um etwas zu erkennen, doch Geräusche kann er leise vernehmen. Da von dem Fahrer der alten Kiste weit und breit nichts zu sehen ist, wagt Darry sich tiefer hinein… und rutscht unfreiwillig hinab, bis er auf dem harten Boden der Realität bzw. dem Boden des unterirdischen Gewölbes wieder zu Sinnen kommt. Was sich ihm dort offenbart, übersteigt Darrys wildeste Albträume. Die schlimmsten Befürchtungen bestätigen sich, doch für den armen Teufel in dem Sack kommt jede Hilfe zu spät. Ebenso für die unzähligen Leichen, mit denen Decke und Wände des Albtraum-Kellers tapeziert wurden. Traumatisiert schafft es der Junge an die Oberfläche. Rein in den Wagen und das Gaspedal durchtreten. Erst wieder bremsen, wenn ein rettendes Telefon in der Nähe ist.
Dieses finden Trish und Darry in einem Diner. Schnell werden die Cops informiert, doch kaum aufgelegt, klingelt es… Am anderen Ende der Leitung meldet sich eine Frau (Patricia Belcher), die Trish und Darry zu kennen scheint. Ebenso den wahnsinnigen Massenmörder, der das Gewölbe der Kapelle als privates Leichenhaus zweckentfremdet hat. Sie ist eine Art Medium und hat der Polizei bereits mehrfach beim Lösen kniffliger Fälle beratend zur Seite gestanden. Außerdem erzählt sie Darry von Dingen, die noch nicht geschehen sind… und davon, dass der Killer es auf einen von ihnen abgesehen hat. Sie hat es gesehen, die Schreie gehört. Irrtum ausgeschlossen. Und einmal die Witterung aufgenommen, lässt der schier unbesiegbare Gegner sich nicht mehr abschütteln.
Wie schon gesagt, wäre es das Beste gewesen, die Marke nach dem zweiten Teil ruhen zu lassen. Wer dachte, dass die alteingesessenen Horror-Haudegen mit einigen ihrer unzähligen Fortsetzungen des Öfteren ins Klo gegriffen haben, macht sich keine Vorstellung davon, wie mies der klägliche „Reborn“-Versuch letztendlich ausgefallen ist. Bleibt beim Original, das ist kostengünstig erhältlich und bester Popcorn-Horror der Teenie-Grusel-Welle zur Jahrtausendwende. Hier und da klischeebehaftet, dafür mit einer guten Spannungskurve und einem kultigen Antagonisten. Über die Jahre ein Dauerkandidat in meinem Player… speziell zur Halloween-Zeit.
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„My Soul to Take“
(USA 2010)
Bleiben wir noch etwas beim Teenie-Horror und wenden uns dem vorletzten Film des 2015 verstorbenen Regie-Altmeisters Wes Craven zu. 1972 mit dem dreckigen Rape-and-Revenge-Schocker „The Last House on the Left“ ins Genre eingeschlagen, gehen nicht nur Filme wie „The Hills Have Eyes“, die Comic-Verfilmung „Das Ding aus dem Sumpf“, „Der tödliche Freund“, „Die Schlange im Regenbogen“, „Shocker“ oder der (in meinen Augen) schwer unterschätzte Werwolf-Thriller „Verflucht“ auf sein Konto, sondern vor allem die Genre-prägenden Reihen „A Nightmare on Elm Street“ und „Scream“. Mit „My Soul to Take“ hat Craven, der auch das Drehbuch schrieb, den Slasher zwar nicht neu erfunden, dafür aber um einen unkonventionellen Beitrag erweitert. Als ich den Film kurz nach seiner Veröffentlichung (bei uns 2011) zum ersten Mal sah, war es vor allem das ungewohnte Tempo des Streifens, welches mich überraschte. Zwar sind alle gängigen Zutaten eines Teenie-Slashers vorhanden, ordnen sich aber nicht den klassischen Mustern dieser Horror-Unterkategorie unter. Es herrscht stets eine surreale Atmosphäre, was durch gut gefilmte Einstellungen noch unterstrichen wird. Manch kleinerer Twist überrascht mehr als das eigentliche Finale, womit „My Soul to Take“ erneut auf (glücklicherweise nicht in Stein gemeißelte, jedoch oft genutzte) Genre-Regeln pfeift. Der Film wirkt, als hätte Craven ihn aus dem Bauch heraus gedreht. Und nach einer erneuten Sichtung (mittlerweile wohl die vierte oder fünfte), kann ich noch immer sagen, dass dieser kleine Slasher einen festen Platz in meinem Horror-Herzen hat.
Die US-Kleinstadt Riverton konnte 1994 zahlreiche Morde verzeichnen, die allesamt auf das Konto des sogenannten „Riverton Rippers“ gingen. Als man diesen im vermeintlich unbescholtenen Familienvater Abel Plenkov (Raúl Esparza) gefunden hatte, wurde der von der Polizei niedergeschossen, bevor er auch das ungeborene Kind im Leib seiner zuvor getöteten Frau umbringen konnte. Das Baby konnte noch auf die Welt geholt werden und überlebte. In derselben Nacht wurden im Krankenhaus sechs weitere Kinder geboren, während der „Ripper“, dem man zusätzlich eine dissoziative Identitätsstörung attestierte, auf dem Weg dorthin flüchten konnte, nachdem der Krankenwagen in einen schweren Unfall verwickelt wurde. Es war zweifelhaft, ob Plenkov auf Grund seiner schweren Verletzungen überhaupt überleben konnte oder im angrenzenden Fluss ertrank… aber die Legende des „Riverton Rippers“ hat die Jahre bis heute überdauert. Und sie besagt, dass er irgendwann zurückkehren werde, um sein blutiges Werk an den Kindern der Stadt fortzusetzen.
Mittlerweile feiern die sogenannten „Riverton Sieben“ ihren sechzehnten Geburtstag. Dazu halten sie im Wald ein regelmäßiges Ritual ab, um den „Ripper“ am Ort seines mysteriösen Verschwindens von ihnen fernzuhalten. Ganz kann dieses jedoch nicht vollzogen werden, da der örtliche Sheriff den Teenagern kurzerhand einen Strich durch die Rechnung macht. Adam Hellerman (Max Thieriot), genannt „Bug“, ahnt deshalb Böses, ist aber von Haus aus eher ängstlich und von Unsicherheit geplagt. Das macht ihn in der Schule zum Außenseiter und zugleich zur Zielscheibe für Attacken der Mitschülerinnen und Mitschüler. Besonders die Mädels haben dort einiges auf dem Kerbholz, hat sich doch die zickige „Fang“ (Emily Meade) zur Alleinherrscherin der Highschool ausgerufen. Sie schnippt mit den Fingern und die Bullys springen. Keine gute Zeit für „Bug“ und seinen nerdigen Freund Alex (John Magaro). Und als hätte „Bug“ es vorausgeahnt, geht das Morden in Riverton tatsächlich wieder los. Da es sich bei den Opfern um Mitglieder der „Riverton Sieben“ handelt, steht für ihn felsenfest, dass der „Ripper“ sein blutiges Werk wieder aufgenommen hat. Dumm nur, dass gerade jetzt „Bugs“ Psyche in die Knie geht und er von Visionen und Albträumen geplagt wird…
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„Elvira - Herrscherin der Dunkelheit“
(OT: „Elvira: Mistress of the Dark“; USA 1988)
In den allersten „Halloween-Filmtipps“ auf unserer Couch wurde sie bereits kurz erwähnt, doch nun soll die Grande Dame des makabren Filmspaßes mit ihrem eigenen Streifen zu Ehren kommen. Vor allem in den Staaten ist Elvira Kult. Dort präsentierte sie von 1981 bis 1993 als Host B-Horrorfilmchen in der Show „Movie Macabre“. Lasziv, nicht auf den Mund gefallen und nach heutigen Moralapostel-Standards kaum noch vorstellbar. So ist auch „Elvira - Herrscherin der Dunkelheit“ durchzogen mit Flachwitzen, Gaga-Humor und Anspielungen auf die üppige Oberweite der Protagonistin… allerdings kommen die meist von Elvira selbst. 2001 erschien mit „Elvira's Haunted Hills“ ein zweiter Spielfilm, der jedoch nicht an den augenzwinkernden 80er-Jahre-Klamauk heranreicht.
Elvira (Cassandra Peterson) ist Moderatorin einer Horrorfilm-Show im Spätprogramm, träumt jedoch von einer eigenen Revue in Las Vegas. Nachdem der fettleibige und nicht minder aufdringliche Chef des Senders seine schmierigen Griffel nicht unter Kontrolle hat, schmeißt sie den Job jedoch. Da ihr für ihre geplante Vegas-Karriere aber noch das nötige Kleingeld (schlappe 50.000$) fehlt, kommt es gerade recht, dass ihre ihr unbekannte Großtante Morgana Talbot den Löffel gereicht hat. Elvira soll nun zur Testamentseröffnung ins konservative Kaff Fallwell in Massachusetts reisen, um ihr Erbe anzutreten. Gesagt, getan… doch die erhofft dicke Kohle bleibt aus. Stattdessen erbt der sexy Vamp, der in der Kleinstadt auffällt wie ein jonglierender bunter Hund auf Stelzen, eine marode Villa, Tantchens Pudel und ihr altes Rezeptbuch. Schöne Scheiße. Und auf Nimmerwiedersehen Las Vegas? Abwarten, denn erstmal bringt die exzentrische Lady aus der City mit Hilfe der ihr schnell verfallenen Stadtjugend und dem überaus schmucken Bob (Daniel Greene) den alten Kasten auf Vordermann, was nicht jedem Spießer in Fallwell in den Kram passt. Allen voran Großonkel Vincent Talbot (William Morgan Sheppard), welcher in Tantchens Testament nicht berücksichtigt wurde. Er hat es vor allem auf das in Elviras Besitz gelangte Rezeptbuch abgesehen. Darin verbergen sich nämlich keine Tipps, wie man einen schmackhaften Eintopf zubereitet, sondern Formeln, die die Mächte der Hölle heraufbeschwören können. Onkel Vinnie ist sich dessen bewusst, nur Elvira (noch) nicht…
Die mittlerweile 71-jährige Elvira-Darstellerin Cassandra Peterson, die auch am Drehbuch des Films mitschrieb, startete ihre Karriere mit kleineren Filmauftritten in „James Bond 007 - Diamantenfieber“, Fellinis „Roma“, der Cheech & Chong-Komödie „Noch mehr Rauch um überhaupt nichts“ und war nach ihrem Durchbruch mit „Movie Macabre“ Gast in zahlreichen TV-Serien und US-Shows. Sie war der Star in diversen Computer-Spielen und diente als Vorlage für die mehrfach aufgetretene Horror-Moderatorin Booberella in „Die Simpsons“. Außerdem ist Elvira dank der Comics des US-Verlags DYNAMITE noch immer präsent. Aktuell ist dort die fünfteilige Mini-Serie „Elvira in Horrorland“ erschienen, deren Finale im Dezember 2022 ausgeliefert wird. Erst 2021 veröffentlichte Peterson mit „Yours Cruelly, Elvira: Memoirs of the Mistress of the Dark“ ihre vielbeachtete Biografie bei HACHETTE BOOKS, die zum Bestseller wurde. „Elvira - Herrscherin der Dunkelheit“ wurde in Deutschland in mehreren Editionen veröffentlicht. Während die Masse mit der Standard-Blu-ray zufrieden sein dürfte, richten sich Mediabooks, DigiPak, eine Tin-Box oder Exklusiv-Editionen eher an Sammler.
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„Die Zeit der Wölfe“
(OT: „The Company of Wolves“; UK 1984)
Beschließen wir die Nacht mit einem Klassiker, dem die Deutsche Film- und Medienbewertung FBW das „Prädikat wertvoll“ verlieh. Der Oscar-prämierte Regisseur Neil Jordan („Mona Lisa“, „The Crying Game“, „Interview mit einem Vampir“) adaptierte zwei Geschichten der britischen Schriftstellerin Angela Carter (1940 – 1992) aus ihrer Märchensammlung „Blaubarts Zimmer: Märchen für Erwachsene“ (ROWOHLT). Darin interpretierte Carter klassische Stoffe wie „Schneewittchen“ oder „Die Schöne und das Biest“ neu und reicherte die Erzählungen mit Erotik und düsterer Romantik an. Die beiden enthaltenen Erzählungen „Der Werwolf“ und „Die Gesellschaft der Wölfe“ basieren auf „Rotkäppchen“ („Le petit chaperon rouge“) des französischen Schriftstellers Charles Perrault (1628 – 1703), welches im frühen 19. Jahrhundert von den Brüdern Jacob (1785 – 1863) und Wilhelm Grimm (1786 – 1859) in deren „Kinder- und Hausmärchen“ aufgenommen wurde. Carter schrieb ihre Geschichten zu einem Drehbuch um, das wiederum mit Neil Jordans Rahmenhandlung verschmolz.
Herausgekommen ist ein dunkles Fantasy-Märchen mit starkem Horror-Einschlag. Erotische Untertöne sind ebenso vorhanden, wie das Aufblühen der Sexualität. Interpretationsmöglichkeiten bietet „Die Zeit der Wölfe“ zuhauf, driftet dabei immer wieder in (alb)traumhafte und surreale Gefilde ab, was durch die Inszenierung von Jordan zu einem phantastischen Trip wird. Garniert mit einigen drastischen Effekten, die in der Entstehungszeit noch mehr zu schockieren wussten, die heutige Zeit dafür aber nicht ganz unbeschadet erreicht haben. In Zeiten von CGI-Gewittern jedoch eine schöne Abwechslung, der man die detaillierte Handarbeit hoch anrechnen muss. Ebenso die weitläufigen Sets, die eine bedrohliche Atmosphäre heraufbeschwören. Fast schon episodenhaft erzählt, geht es im Kern darum:
Rosaleen (Sarah Patterson) ist dreizehn und blüht gerade auf. In ihren Träumen flüchtet sie sich in eine dunkle Märchenwelt, in der Wölfe stets präsent und bedrohlich erscheinen. In ihrem mittelalterlichen Dorf ist sie häufig Gast bei ihrer Großmutter (die erst kürzlich verstorbene Angela Lansbury; „Mord ist ihr Hobby“, „Die tollkühne Hexe in ihrem fliegenden Bett“), die ihr finstere Geschichten erzählt. Außerdem spricht sie Warnungen aus. Warnungen vor äußerlich und innerlich behaarten Männern. Rosaleen soll sich vor Fremden mit zusammengewachsenen Augenbrauen hüten… und niemals den Weg verlassen. Doch das junge Mädchen muss und will ihre eigenen Erfahrungen machen. Auch wenn diese sie abseits des Weges in die Tiefen des unwirtlichen Waldes führen.
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Betthupferl:
Wir hatten ein paar feine Titel zum Lachen, Thrill, schrägen Kult und ein knisterndes Märchen… dann könnt Ihr jetzt mit gutem Halloween-Gewissen und warmen Gedanken ins Bettchen springen. Morgen wartet wieder der reale Horror, da kann es nicht schaden, noch für ein paar Stündchen die Decke über den Kopf zu ziehen und das Ganze im Traumland nochmals Revue passieren zu lassen. Aber nicht vergessen: Zombies mögen Kneipen, Kleinstadt-Killer kehren IMMER zurück und Schmierlappen mit einem buschigen Balken über den Klüsen sind tabu. Um es mit Elviras Worten zu sagen: „Unerfreuliche Träume!“
Titel-Motiv Halloween-Kürbis: istock.com/darioZg
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