Die Eroberung des Weltalls

Film-Besprechung von Michael Drewniok

Mit eiserner Entschlossenheit hat Colonel Samuel Merritt den Bau der ersten Station im Weltall vorangetrieben. Nun kreist sie als riesiges Rad um die Erde und ist Baustelle für ein Raumschiff, das bald zum Mond aufbrechen soll. Die harte Arbeit hat Spuren hinterlassen, die Männer sind nervlich und körperlich erschöpft. Merritt selbst ist betroffen, aber er verschweigt seine Schwäche, weil er unbedingt an der Mondfahrt teilnehmen will.

Die Station ist ein Gemeinschaftsprojekt zahlreicher Erdstaaten. Als man über die anstehende Expedition berät, kommt es zu einer überraschenden Neuplanung: Die Reise soll nicht mehr zum Mond, sondern zum Mars gehen - eine deutlich gefährlicheres Unterfangen, gegen das der (zum General beförderte) Merritt zunächst Protest einlegt, um sich dann dem Willen seiner Vorgesetzten zu fügen.

Mit vier Begleitern - darunter Merritts Sohn Barney - macht man sich auf den Weg. Kurz nach dem Start entdeckt man den blinden Passagier Sergeant Mahoney, der seinem alten Freund Merritt Senior unbedingt zur Seite stehen will. Als ein Asteroid das Raumschiff beinahe zerstört, kommt der Astronaut Fodor ums Leben. Das drückt nicht nur die allgemeine Stimmung, sondern verschärft auch Merritts psychische Probleme: Der General kommt zu dem Schluss, dass die Reise zum Mars eine Blasphemie darstellt und gegen Gottes Wille verstößt.

Deshalb endet die Landung auf dem roten Planeten fast in einer Katastrophe. In letzter Sekunde kann Barney verhindern, dass Merritt das Raumschiff abstürzen lässt. Die Stimmung bleibt angespannt: Der Mars entpuppt sich als lebensfeindlicher, toter Ort, der Siedlern nichts zu bieten scheint. Während die Crew die Landschaft erforscht, betätigt sich Merritt als Saboteur. In seinem Wahn will er sicherstellen, dass man den Mars nicht mehr verlassen kann ...

Die Welt, wie sie hätte sein sollen (Teil 1)

Nach 1945 war die ‚Eroberung‘ des Weltalls zunächst eine vergleichsweise friedliche bzw. entspannte Angelegenheit. Bevor die roten Sowjet-Teufel im Oktober 1957 den Raumflugkörper „Sputnik“ in eine Erdumlaufbahn schossen und damit scheinbar ankündigten, ihm mit Atomraketen bestückte Mord-Satelliten folgen zu lassen, war der interplanetare Raumflug primär ein technisches Planspiel.

Im Geiste der noch präsenten „New-Frontier“-Mentalität einer nicht gar zu lange verstrichener Wildwest-Zeit wurde der Weltraum als neue Lebensraum betrachtet, der einer explosiv anwachsenden Menschheit als Ressource dienen konnte. Mit der Umsetzung entsprechender Pläne gedachte man sich allerdings Zeit zu lassen: Schon damals war nicht der Adler, sondern das Sparschwein das eigentliche Wappentier der USA. Lediglich eine Minderheit zukunftsorientierter und -begeisterter Wissenschaftler, Techniker und Träumer träumte von Reisen durchs All.

Unter ihnen waren Männer wie Wernher von Braun (1912-1977), Willy Ley (1906-1969) oder Chesley Bonestell (1898-1986), wobei letzterer als Künstler berühmt wurde, der zukünftige Weltraum-Projekt so plastisch darzustellen wusste, dass sich die Betrachter bereits vor Ort wähnten. Solche Begeisterung war wichtig, um die zögerliche Bevölkerung für die Weltraumfahrt zu begeistern, denn nur sie konnte den notwendigen Druck auf die Politik ausüben.

Die Welt, wie sie hätte sein sollen (Teil 2)

Vor allem von Braun wusste um die Wichtigkeit eines solchen Rückhalts. Schon während seiner Jahre als Nazi-Ingenieur, der sich keineswegs zu schade war, im Rahmen seiner Forschungen raketenbetriebene Terrorwaffen zu entwickeln, hatte er begriffen, dass wichtig war, die Werbetrommel zu rühren: Letztlich muss der Plebs für die Visionen von Eliten zahlen. Unermüdlich stellte ein nützlicher, inzwischen US-amerikanisierter und persilweiß gewaschener von Braun der Öffentlichkeit in Büchern, Zeitschriften und TV-Sendungen einschlägige Projekte vor, wobei er komplexe Themen verständlich formulierte und aufwändig bebilderte. Raketen-Pionier Ley - ebenfalls deutscher Herkunft - stand ihm zur Seite.

Filmproduzent George Pal (1908-1980) witterte eine einträgliche Story, als er das 1949 von Ley veröffentlichte, überaus erfolgreiche Sachbuch „The Conquest of Space“ las, das Chesley Bonestell mit quasi fotorealistischen Bildern illustriert hatte. Pal nutzte es vor allem als ‚Steinbruch‘ für ein utopisierendes Setting, dem parallel dazu eine Spielhandlung übergestülpt wurde. Von Braun ergriff die Gelegenheit und stellte eigene Pläne und Modelle zur Verfügung; auf ihn ging beispielsweise die Raumstation in Gestalt eines sich drehenden und dadurch Gravitation simulierenden Rades zurück.

Spektakuläre Bilder und das Hohelied der Technik standen deutlich über einer echten Geschichte. „Die Eroberung des Weltalls“, der Spielfilm, wurde in dieser Beziehung schon 1955 zwiespältig wahrgenommen. Die Handlung hangelt sich pseudo-seriös von Klischee zu Klischee und dient allzu deutlich der Verknüpfung aufregender Zwischenfälle. Hinzu kommen zeitgenössische Eigentümlichkeiten, die heute mit Stirnrunzeln oder Heiterkeit zur Kenntnis genommen werden. So arbeiten die Erdregierungen in Sachen Weltraumfahrt zwar zusammen, doch die Federführung übernehmen eindeutig die USA. (Zwar darf ein Japaner mitfliegen, doch der muss zuvor in einer pathetisch-peinlichen Rede kundtun, dass er damit die Kriegsschuld seines Landes gutmachen möchte.)

Planetenreise im U-Boot-Stil

Selbstverständlich ist diese Weltraumfahrt eine Angelegenheit des Militärs. Wissenschaftler u. a. Idealisten mussten in den 1950er Jahren streng überwacht werden, damit sie nicht auf die Idee kamen, ihre Forschungsergebnisse mit einer Welt zu teilen, in der die schon erwähnten Sowjet-Teufel und ihre ebenso roten Mit-Schurken darauf lauerten, solche Schwäche zur Erringung der Weltherrschaft auszunutzen!

Da man mangels praktischer Erfahrungen nicht wusste, wie sich der Alltag im erdfernen Raum gestalten würde, versetzte man eine Truppe angeblicher Elite-Soldaten dorthin. Die ‚Technik‘ der Raumstation und des Raumschiffs funktioniert absolut analog. Innen glaubt man sich an Bord eines zeitgenössischen (Hollywood-) U-Boots. Während dies den nostalgischen Charme des Films unterstreicht, sorgt die Figurenzeichnung für Fremdschämen. Kadavergehorsam (Vater und Sohn Merritt siezen sich dienstlich) und Landser-Humor (Mickey Shaughnessy, Phil Foster) müssen echte Charaktere ersetzen. Unbeholfen versucht sich Drehbuchautor James O’Hanlon an einem Vater-Sohn-Konflikt zwischen Merritt Senior und Junior, der sich irgendwann unwichtig in Luft auflöst, weil der General einem durch ‚Nervenschwäche‘ ausgelösten fundamentalreligiösen Wahn verfällt.

Der Primärfaktor kollektiver Unzufriedenheit scheint ohnehin die Abwesenheit von Frauen zu sein. Im Mannschaftsquartier hängen ausgeschnittene Pin-up-Schönheiten an den Wänden, brünstige Astronauten reichen Fotos ihrer ‚Bräute‘ herum, und als ein Kino-Abend ansteht, schneidet Regisseur Haskin tatsächlich einen ‚frivolen‘ Auftritt der Sängerin Rosemary Clooney (Tante von George Clooney) aus dem Film „Here Come the Girls“ (1953) ein! Ebenfalls thematisiert wird die Astronautenkost in verhasster Pillenform, doch über allem schwebt dicht und dick der Geist (patriotisch gefärbter) Kameradschaft.

Die Ablenkung des Auges

1955 stand die Tricktechnik auf einem Niveau, das in der durchdigitalisierten Gegenwart kaum noch vorstellbar ist. Effekte wurden ausschließlich in Handarbeit hergestellt - und das sieht ein durch jahrzehntelangen Filmkonsum quasi geschultes Publikum buchstäblich auf den ersten Blick! Der objektive Zuschauer wird dies einem so alten Film nicht zum Vorwurf machen, sondern gerade die Durchschaubarkeit der Effekte goutieren: Man hat es immerhin versucht und sich dabei Mühe gegeben!

Das zeitgenössische Publikum war zumindest optisch jedenfalls schwer beeindruckt. Von Brauns gewaltiges Himmelsrad, die Nurflügel-Rakete, die weite Marslandschaft: Das Auge wurde zufriedengestellt, sobald die Kamera endlich die Enge des Stations- oder Raumschiffinneren verließ, wo Phasen gedroschen und endlose Debatten geführt wurden. Besagtes Auge wurde zugedrückt, wenn sich die Rakete auch im luftleeren Weltraum unter beträchtlicher Rauch- und Geräuschentwicklung vorwärtsbewegte, die von einem Meteor getroffene Raumstation wie eine kreiselnde Radkappe wirkte, an deren Rand Feuerwerkskörper gezündet wurden (wie es tatsächlich gemacht war) oder Schwerelosigkeit stets mit dem Anblick schlecht kaschierter Halteseile einherging.

Nur Chesley Bonestell war wütend, als er den fertigen Film sah: Schon damals wussten die Forscher, dass die Marsoberfläche vergleichsweise schlicht aussah. Mit großer Hingabe hatte Bonestell dies in seinen Bildern berücksichtigt. Doch für Hollywood wurde der Mars ein wenig aufregender gestaltet, d. h. mit dramatisch schroffen, bunten Felszacken u. a. Eigentümlichkeiten ausgestattet. (Immerhin blieben die berüchtigten ‚Kanäle‘ außen vor.) Hinzu kamen ein Marsbeben und ein Mars-Schneesturm. Zuletzt befand der Agrarspezialist der Besatzung den Marsboden für zwar trocken, aber bei regelmäßiger Wasserzufuhr fruchtbar: Der Mars taugte also als Tummelplatz für Pioniere!

Die Realität sah bekanntlich anders aus. Nur wenige Jahre später wurde auch im Weltall aufgerüstet: Böswillige Außerirdische und radioaktive Monster griffen an! Zwar sprach man schon 1955 nicht von der Erforschung, sondern von der „Eroberung“ des Weltalls, doch diese Mars-Mission flog immerhin waffenfrei ein Ziel an, wo keine Mars-Ungeheuer lauerten. Die ‚realistische‘ Science Fiction wurde rasch in eine Nische abgedrängt. Dort hat „Die Eroberung des Weltalls“ seinen Platz in der Filmgeschichte. Überragend hoch hängt der Film dort freilich nicht. George Pal selbst hat drei wesentlich bessere (und besser gealterte) SF-Streifen hinterlassen: „Destination Moon“ (1950, „Endstation Mond“), „When Worlds Collide“ (1951, „Der jüngste Tag“) und „The War of the Worlds“ (1953, „Krieg der Welten“). Spaß macht dieser Blick in eine vergangene, nie Wirklichkeit gewordene Zukunft trotzdem.

Fazit

Vor dem „Sputnik“-Schock entstanden, feiert dieser Film den für menschenmöglich und notwendig gehaltenen Vorstoß ins All. Interessanter als die peinlich-behäbige Handlung ist die Bebilderung zeitgenössischer Vorstellungen, wie dies geschehen könnte: Nostalgie-Trip in die Vergangenheit der Zukunft.

Wertung: 7

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