Conjuring 3:
Im Bann des Teufels
Film-Kritik von Marcel Scharrenbroich / Titel-Motiv: © Warner Bros. Pictures
Schuldig im Sinne des Beelzebub!
Der erste Fall, an dem Ed und Lorraine Warren uns als Zuschauer teilhaben ließen, führte das paranormale Ereignisse erforschende Ehepaar 1971 nach Rhode Island. Dort bezog Großfamilie Perron gerade ein altes Farmhaus, in dem es nicht mit rechten Dingen zuging. Unerklärliche Geister-Erscheinungen, tyrannisierte Bewohner und ein toter Hund waren Grund genug, die beiden Ermittler mit der Reinwaschung der verfluchten Bude zu beauftragen. Zu sehen war der ganze Spuk 2013 in James Wans „Conjuring - Die Heimsuchung“. Und zwar mit großem Erfolg. Logisch, dass eine Fortsetzung schnell beschlossene Sache war.
Mit „Conjuring 2“ sprang die Handlung 2016 ins Jahr 1977. Da führte es die Warrens ins Vereinte Königreich und konfrontierte die Dämonologen mit einem übernatürlichen Treiben, das hohe Wellen schlug. Die Presse stürzte sich auf die alleinerziehende Mutter Peggy Hodgson und ihre vier Kinder. Unter dem Zweifel der Öffentlichkeit und dem Terror eines ungebetenen Hausgasts litt vor allem die erst elfjährige Janet. Ein Geist kommunizierte durch sie und die Attacken nahmen zu. Die Kirche verlangte nach einem Beweis für das teuflische Treiben und beauftragte die Warrens, Beweise für die Existenz des Bösen zu finden. Der Enfield-Poltergeist zählt noch heute zu den spektakulärsten jemals dokumentierten Fällen in Zusammenhang mit übernatürlichen Phänomenen… und liegt wie jeder Fall der Warrens einer wahren Begebenheit zu Grunde.
So auch der aktuellste Fall der Eheleute Warren, welcher dementsprechend ebenfalls keine Erfindung pfiffiger Drehbuchschreiber ist, sondern zu Lebzeiten durchaus für Furore der paranormalen Art sorgte. Ed (1926 – 2006) und Lorraine (1927 – 2019), die außerdem ein selbsternanntes Medium war, gründeten 1952 die „The New England Society for Psychic Research“, um die Forschung nicht erklärbarer Erscheinungen voranzutreiben. Ihre unzähligen Fälle förderten (angeblich) verfluchte Gegenstände zu Tage, die sie in einem eigenen Museum ausstellten, füllten Bücher und wurden Thema in zahlreichen Filmen. So auch in „Conjuring 3: Im Bann des Teufels“, der die Handlung erneut ein paar Jahre nach vorne verlegt…
Body-Hopping
1981: Die mit allen Weihwassern gewaschenen Ed (Patrick Wilson) und Lorraine (Vera Farmiga) nehmen im Haus der Familie Glatzel an einem Exorzismus teil. Durchgeführt wird dieser von Pater Gordon (Steve Coulter). Der achtjährige Sohn der Familie, David (Julian Hilliard), ist von einem Dämon besessen… inklusive Verrenkungen, dem Sprechen mit fremden Stimmen und dem ganzen Kram, der zu einer ordentlichen Besessenheit dazugehört. Noch während der Austreibung, als Lorraine die Hand des Jungen hält, hat sie eine Vision eines scheinbar okkulten Rituals. Noch bleibt dessen genauere Bedeutung im Dunkeln, denn zum Nachdenken bleibt keine Zeit. Der rasende David stürzt sich auf Ed, der daraufhin zusammenbricht. Ed erleidet bei der direkten Konfrontation einen Herzinfarkt, doch bevor ihm die Lichter ausgehen, sieht er wie Arne (Ruairi O’Connor), der Verlobte der Glatzel-Tochter Debbie (Sarah Catherine Hook), den in David gefahrenen Dämon beschwört, sich an dessen Stelle seines Körpers zu bemächtigen. Da lässt die teuflische Präsenz sich nicht zweimal bitten, was im allgemeinen Chaos im Glatzel-Haus von den restlichen Anwesenden unbemerkt bleibt. Vorerst…
Während Ed im Krankenhaus behandelt wird und noch nicht wieder bei Bewusstsein ist, erholt sich David langsam von den Strapazen. Für Arne Cheyenne Johnson geht das Martyrium aber gerade erst los. Immer öfter wird er von Trugbildern geplagt, was seine Wahrnehmung verzerrt und ihn nicht mehr klar denken lässt. Dies steigert sich so weit, dass er bei einem feucht-fröhlichen Saufgelage mit Kumpel und Vermieter Bruno Sauls (Ronnie Gene Blevins) auf diesen losgeht und wie im Wahn tödlich auf ihn einsticht. So wird Arne blutverschmiert von der Polizei aufgegriffen und festgenommen.
Als Ed wieder die Augen aufschlägt, informiert er sofort Lorraine, dass der in David gefahrene Dämon keineswegs durch den Exorzismus verbannt wurde… doch da ist das Unglück bereits geschehen. Wieder halbwegs genesen, ermittelt das Paar weiter und stößt unter dem Haus der Glatzels auf ein Totem, mit dem der Dämon anscheinend heraufbeschworen wurde. Somit wäre die Heimsuchung menschengemacht und Lorraine erinnert sich an ihre Vision des okkulten Rituals. Da die Verteidigung von Arne sich darauf beruft, dass er während der Tat nicht zurechnungsfähig und besessen vom Teufel war, ruft der Prozess die Medien auf die Barrikaden. Für den Angeklagten wird es eng, denn ihn erwartet nicht nur ein Urteilsspruch. Der Dämon ist ebenfalls noch aktiv und die Warrens setzen alle Hebel in Bewegung, um den Drahtzieher ausfindig zu machen.
Schritt in die Öffentlichkeit
Bis auf den einfallslosen deutschen Untertitel, der sich nach billigster B-Ware anhört und zudem im Gegensatz zum originalen US-Titel null zur Handlung beiträgt, gibt es an „Conjuring 3“ nicht viel zu mäkeln. Ob der gleiche Schmierfink für „Im Bann des Teufels“ verantwortlich ist, der aus „Thor: Ragnarok“ letztendlich „Thor: Tag der Entscheidung“ zauberte, darf dabei nur vermutet werden. Einen ordentlichen Scheitel-Schlag mit Mjölnir wäre in jedem Fall verdient, denn der amerikanische Untertitel „The Devil Made Me Do It“ (dt. „Der Teufel hat mich dazu gebracht“) bezieht sich direkt auf die Verteidigung des Angeklagten Arne Cheyenne Johnson, der vor Gericht behauptete, dass eine dämonische Besessenheit für sein Tun verantwortlich war und mit dieser Aussage für einen der spektakulärsten und aufsehenerregendsten Gerichtsverfahren der US-Justizgeschichte sorgte.
Wie der Urteilspruch ausfiel, soll hier natürlich noch nicht vorweggenommen werden, doch mit diesem Fall geht das „Conjuring“-Universum einen weiteren Schritt nach vorne, in Richtung Öffentlichkeit. Sorgte bereits der Enfield-Poltergeist für überregionale Berichterstattungen, findet der Prozess um fehlende Schuldfähigkeit wegen dämonischer Besessenheit komplett vor den Augen der skeptischen Allgemeinheit statt. Klar, dass auch Ed und Lorraine Warren dadurch deutlich mehr Medienpräsenz bekamen. 1983 veröffentlichten sie gemeinsam mit dem Autor Gerald Brittle das Buch „The Devil in Connecticut“. Auch die Familie Glatzel war involviert, wurden im Gegensatz zu den Warrens und Brittle aber nicht reich an dessen Verkauf. Bei einer Neuveröffentlichung des Buches im Jahr 2006 klagten die Glatzel-Söhne Carl Jr. und David, der damals angeblich besessene Achtjährige, sogar gegen den Verlag und unterstellten, dass es den Dämonologen nur ums Geld gegangen wäre und sie als Kinder enormen Stress ausgesetzt waren. Und durch diese Hölle wollten die Brüder nicht noch einmal gehen. Umso überraschender, dass sowohl Carl Jr. als auch David Glatzel in „Conjuring 3“ als Berater in den Credits auftauchen. Gräbt man tief genug, kommen immer mehr Zweifel auf… aber will man das, wenn man einen launigen Gruselabend erleben möchte? Außerdem ist es nicht neu, dass Hollywood Fakten biegt, dreht und wendet, bis sie in eine passend-abendfüllende Form passen. So zum Beispiel, dass der erstochene Vermieter, der im realen Leben Alan Bono hieß, trotz gegensätzlicher Aussagen im Film komplett unsympathisch dargestellt wird, während man Arne Cheyenne Johnson, der immerhin des Mordes (besessen oder nicht) überführt wurde, zum Opfer zurechtgeschrieben hat. Die hohen Wellen des realen Falls lassen sich dann doch nicht komplett ausblenden, was einen zwiespältigen Beigeschmack hinterlässt.
Never change a winning team
Somit findet der neuste Ableger im „Conjuring“-Universum (auf die qualitativ abfallenden Spin-offs „The Nun“, „Lloronas Fluch“ und die „Annabelle“-Trilogie möchte ich hier bewusst nicht näher eingehen) nicht im überschaubaren Kreis eines Haunted House-Settings statt, sondern mischt ausgewogen Elemente eines fesselnden, öffentlich stattfindenden Justiz-Dramas in den aufkeimenden Horror. Thriller-Freunde kommen ebenfalls auf ihre Kosten, da der Film nicht wie andere Genre-Vertreter (ausschließlich) auf musikalisch grell unterlegte Jump-Scares setzt, dafür enorm spannende Passagen enthält, bei denen man gebannt den Atem anhält. Dann fährt das Tempo schon fast ungewohnt hoch. Schwer zu glauben, dass Newcomer-Regisseur Michael Chaves für diesen in sich stimmigen Mix verantwortlich ist, der zuvor nur den klischeehaften und nur leidlich gruseligen „Lloronas Fluch“ drehte… Ihr wisst schon, einer der Spin-off-Filme, über die wir hier nicht sprechen wollten. Hat ja gut geklappt… Chaves beerbte „SAW“- und „Insidious“-Schöpfer James Wan auf dem Regie-Stuhl, der noch immer einen Produzenten-Posten innehat. Seit „Mortal Kombat“ gebe ich auf eine Teilnahme Wans allerdings nicht mehr viel…
Dank der eindrucksvollen und intensiven Darstellungen von Vera Farmiga („Orphan“, TV-Serie „Bates Motel“, „Godzilla II: King of the Monsters“) und Patrick Wilson („Watchmen“, „Bone Tomahawk“, „Insidious“) bleibt es vor der Kamera beim eingespielten Team, das schon in den beiden Vorgängern überzeugte und lediglich als Bindeglied bei den Spin-offs herhalten musste. Vor allem in Michael Chaves Regie-Erstling wirken die Warrens wie nachträglich eingefügt, da die Story sonst eigenständig nicht über 0815-Horror-Niveau hinauskommt. Die Hauptrollen sind damit eine sichere Bank. Hatte man in „Conjuring“ mit Lili Taylor („The Addiction“, „Das Geisterschloss“, „Leatherface“) und Ron Livingston („Swingers“, „Body Shots“, „Die Frau des Zeitreisenden“) sowie in „Conjuring 2“ mit Frances O’Connor („Mansfield Park“, „A.I. - Künstliche Intelligenz“, „Timeline“), Jungstar Madison Wolfe („Trumbo“, TV-Serie „Zoo“, „I Kill Giants“) und Franka Potente („Lola rennt“, „Anatomie“, „Die Bourne Identität“) noch namhafte und gleichsam fähige Darsteller in den Nebenrollen, bleiben diese in „Conjuring 3“ vergleichsweise blass. Ruairi O’Connor, der zuvor bis auf Kurzfilme und TV-Gastauftritte vor allem in der Serie „The Spanish Princess“ und dem recht soliden Thriller „The Postcard Killings“ mit Jeffrey Dean Morgan und Joachim Król aufgefallen ist, ist da noch das herausstechendste Beispiel, auch wenn die Figur des Arne ihm nicht viel Freiraum zum Glänzen gibt.
Fazit:
„Conjuring 3: Im Bann des Teufels“ wandelt auf einigermaßen frischen Pfaden und verlässt sich nicht komplett auf bewährte Erfolgsformeln. Als Mischung aus Exorzismus-Schocker, Mystery-Thriller und Gerichts-Drama kann der mittlerweile dritte Teil der Hauptreihe erneut überzeugen… obwohl die realen Hintergründe etwas anders ausschauen und die Warrens nicht im besten Licht erstrahlen lassen. Mit Vera Farmiga und Patrick Wilson, die das (filmisch) altbewährte Warren-Dreamteam verkörpern, hat man ein mittlerweile perfekt eingespieltes Duo an der Cast-Front, dem man auch beim Lösen weiterer Fälle über die Schultern schauen möchte. Der direkte Vorgänger kann aber nicht getoppt werden und spielt für mich mit seiner Intensität in einer ganz eigenen Liga.
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