Arcadian - Sie kommen in der Nacht

Film-Besprechung von Michael Drewniok

Vor 15 Jahren kamen - offenbar aus dem Weltall - bösartige Kreaturen auf und über die Erde. Binnen kurzer Zeit brach die Zivilisation zusammen. Die meisten Menschen sind tot. Überlebende haben sich vor allem auf dem Land eingeigelt. Sie führen dort ein hartes, aber leidlich sicheres Leben, denn der Feind hat eine Achillesferse: Tageslicht kann er nicht ertragen. Solange man sich des Nachts in einer stabilen Bleibe verbarrikadiert, wird man verschont. Tagsüber kann man sich problemlos draußen bewegen.

Auf einer kleinen Farm lebt Paul mit seinen Teenager-Söhnen Joseph und Thomas. Das eingespielte Leben ist in der letzten Zeit komplizierter geworden, denn besonders Thomas wird schwer von der Pubertät gebeutelt. Ständig läuft er hinüber zur Farm der Roses, denn dort wartet Charlotte, die schöne Tochter des Hauses. Thomas vergisst dann die Zeit und muss sich mit dem Heimweg beeilen, während die Dunkelheit einbricht, was den Vater besorgt und den Bruder genervt reagieren lässt.

Eines Tages rutscht Thomas auf halber Strecke aus, fällt in eine Erdspalte und schlägt sich den Kopf an. Als er am Abend nicht zurück ist, macht sich Vater Paul auf den Weg in die Finsternis. Joseph hütet das Heim. Ausgerechnet in dieser Nacht rumoren die Kreaturen nicht um, sondern unter dem Haus: Sie sind von der Belagerung zum Untergraben von Häusern übergegangen. Auch die Rose-Farm ist längst sturmreif gegraben.

Thomas und Paul überleben die Nacht, aber der Vater ist schwer verletzt. Joseph bittet auf der Rose-Farm um Hilfe. In der Nacht überschlagen sich die Ereignisse: Zeitgleich werden die Farmen attackiert. Während die Roses überrascht werden, hat Joseph sich einiges einfallen lassen, um den Eindringlingen einen bösen Empfang zu bereiten ...

Monster mit einer Schwäche

„Arcadian“ ist einer dieser Filme, die Kritiker und Zuschauer spalten. Man kann ihn entweder für gut und spannend oder düster und schlecht halten. Dieser Rezensent ist der seltene Fall der Mitte; er findet sowohl Positives als auch Negatives und bereut - soweit sei dem Folgenden vorgegriffen - die Sichtung nicht, zumal der Film mit 90 Minuten genauso ‚lang‘ ist, wie es die dürre Story hergibt.

Der Plot ist wahrlich keine Offenbarung! Das Horror-Genre ist reich an Ungeheuern, die den postapokalyptisch in die Defensive geratenen Mensch unter Druck setzen. Damit die Auseinandersetzung nicht gar zu einseitig wird, ist der Gegner mit einer Schwachstelle geschlagen: Er ist blind (kann aber überirdisch gut hören: „The Silence“ oder „A Quiet Place“, inzwischen eine Serie), verträgt (à la „Krieg der Welten“) die irdische Luft nicht oder hat eben das Tageslicht zu meiden. Dazu muss man nicht aus dem Weltall stammen, sondern kann auch Vampir oder Zombie sein. Die Prämisse sorgt in jedem Fall für eine besondere Situation: Wo man tagsüber problemlos umherstreifen kann, muss man nachts auf der Hut sein.

Dies rührt an einer uralten Menschenfurcht. Einst war man eher Beute als Jäger, sobald die Sonne unter den Horizont sank. Hungriges Getier konnte in der Nacht sehen, wo der Mensch blind oder im ‚Licht‘ einer jämmerlichen Fackel herumtappte. Daran erinnern wir uns instinktiv noch heute - und sei es nur, um uns bei der Ansicht eines einschlägig geplotteten Films zu gruseln.

Der Mensch als Problemfaktor

Hält man sich an die Regeln, kann man in dieser Welt nach dem Untergang existieren. (Der Filmtitel spielt auf den Mythos von „Arkadien“ an, einem sagenhaften Land, in dem Mensch und Tier in friedlicher Idylle koexistieren.) Nicht nur Paul und seine Söhne halten sich seit 15 Jahren. Letztlich wird der Untergang wieder einmal vom Menschen eingeleitet: Man lebt in kleinen Gruppen und schottet sich ab, statt sich zusammenzutun. Solche isolierten Kolonien können die womöglich intelligenten Invasoren leicht einkreisen und überwältigen.

Hinzu kommt das menschliche Wesen. Es kümmert sich nur bis zu einem gewissen Punkt um die Einhaltung von Regeln. Drehbuchautor Michael Nilon griff hier ebenso klischeehaft wie plausibel auf die Pubertät als Vernunftbrecher zurück: Thomas ist 15, und die rothaarige Charlotte (nicht nur in einer Welt ohne weibliche Konkurrenz) überaus hübsch. Der Trieb siegt, aber er wird nicht als Arm der Moral missbraucht, die ob solcher Sündhaftigkeit die Ungeheuer von der Kette lässt: Diese haben schon lange etwas geplant und schlagen zufällig zeitgleich los.

Die Pubertät weicht auch das für das Überleben notwendige Miteinander des Trios Paul, Thomas und Joseph auf. Letzterer ist wesentlich rationaler gestimmt als sein Bruder und konzentriert sich auf den Alltag. Die Liebe hat er (oder sie ihn) noch nicht entdeckt. Deshalb ärgert er sich über den aus seiner Sicht verantwortungslosen Bruder, der sich immer wieder zur Nachbarfarm absetzt. Dazwischen steht Paul, der Vater, der nach 15-jährigem Überlebenskampf müde geworden ist, aber seine Kinder immer noch so entschlossen verteidigt wie damals, als er sie als Babys aus der untergehenden Heimatstadt schaffte.

Die Frustration des Auges

Man hat diese Situation in unzähligen Post-Doomsday-Filmen und Fernsehserien gesehen. Es gibt einfach keine neuen Aspekte mehr. Brewer und Nilon können dieser Falle nicht entkommen. „Arcadian“ erzählt eine Geschichte ohne echte Überraschungen. Dass man dennoch dabei bleibt, liegt am durchweg gelungenen Schauspiel der (wenigen) Beteiligten. Sie überspielten die Klischees und wirken in ihren Rollen nicht lästig, weil vor allem ‚typische‘ Jugendliche meist überzeichnet sind, sondern tatsächlich überzeugend. Pubertät, erste Liebe, Verlust und Neuanfang: Dies sind durchaus spannende Krisen, wenn sie von Personen dargestellt werden, die man sich nicht von Anfang an als Monsterfutter wünscht. Hinzu kommt ein Nicolas Cage, der jenseits jeglichen Chargierens die allmählich eindrucksvoll lange Kette schauspielerischer Glanzleistungen um ein weiteres Glied verlängert.

Dummerweise gibt es auch ein filmkünstlerisches Konzept - und das sorgt für Verdruss: Kameramann Frank Mobilio setzt (sicherlich in Absprache mit dem also mitverantwortlichen Regisseur) auf eine Atmosphäre stetiger Düsternis auch am (niemals) hellen Tag. Die Bilder wurden künstlich ihrer Farben beraubt, das Licht gedimmt. Außerdem ist es ständig feucht und muffig - und des Nachts wahrlich dunkel! Mobilio setzt ausschließlich auf ‚natürliches‘ Licht, das in diesem Fall von Kerzen, Petroleumleuchten, Fackeln u. a. Funzeln herrührt, die nur einen dürftigen Lichtkreis werfen.

Es gibt (sehr) ausgedehnte Sequenzen, in denen wir praktisch gar nichts sehen. Geräusche und Schreie verraten, dass es vor der Kamera hoch hergeht, aber frustriert blicken wir buchstäblich in die Röhre. Was traditionell ein Stilmittel ist, das den Schrecken maskiert und ihn deshalb umso furchterregender wirken lässt (sowie die Produktionskosten dämpft), verkehrt sich hier ins Gegenteil. Ohnehin springt und wackelt die Kamera, als ob sie mit der Hand geführt würde. Man wird um den Anblick der Nachtmahre betrogen, was auch deshalb ärgert, weil sie interessant gestaltet wurden (Regisseur Brewer nennt u. a. die Disney-Figur Goofy als Vorbild ...) und sich auch so verhalten. Es ist vor allem diese Entscheidung, die „Arcadian“ zu Mittelmaß verdammt.

Obwohl „Arcadian“ sogar als UHD-Blu-ray (und recht preiswert) angeboten wird, bleibt es in den lichtfreien Szenen finster. Dies gilt (dieses Mal inhaltlich) auch für die aufgespielten Features; sie beschränken sich auf den Trailer und „Behind-the-Scenes“-Featurettes mit Regisseur Benjamin Brewer und den Schauspielern Maxwell Jenkins und Jaeden Martell.

Fazit

Eine allzu bekannte Geschichte leidet zusätzlich durch ‚Filmkunst‘ (oder Budgeteinschränkungen). Durchweg ausgezeichnete Schauspieler helfen immer wieder und so gut wie möglich darüber hinweg: nicht wirklich sehenswert, aber sehenswürdig.

Wertung: 7

Bilder: © Capelight Pictures/Al!ve AG

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