Ein Sturm zieht auf

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  • Erschienen: Januar 2009
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Ein Sturm zieht auf
Ein Sturm zieht auf
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Michael Drewniok
75°1001

Phantastik-Couch Rezension vonJun 2010

Mensch gegen Bestie: das (Computer-) Spiel läuft!

Außerirdische Invasoren haben diese (alternative) Erde 1908 angegriffen. Sie töten ihre Opfer nicht, sondern infizieren sie mit einem Virus und verschmelzen mit ihnen zu grausamen, schier unverwundbaren Kampfmaschinen. Auf diese Weise eroberten die "Schimären" oder "Bestien" zunächst die Sowjetunion und Asien. Anfang 1949 wurde Europa überrannt; nur England konnte die Aggressoren noch zurückhalten. Seit 1952 belagert der unheimliche Gegner die USA. Der Notstand wurde ausgerufen, viele Küstenstädte sind bereits gefallen, das Militär befindet sich auf dem Rückzug, der Präsident denkt laut über eine Kapitulation nach.

Jedes Mittel ist recht, um den Schimären Paroli zu bieten. Lieutenant Nathan Hale, der immun gegen das Virus ist, kann im November 1951 im Rahmen eines riskanten Kommandounternehmens Alien-Technik aus einem in Nebraska abgestürzten Shuttle des Gegners bergen. Diese enthält Hinweise auf die Lagerung spaltbaren Materials, dass die Armee zur Herstellung dringend benötigter Atomwaffen verwenden könnte. Unter Hales Leitung dringt eine Spezialeinheit in jenen Stützpunkt ein, in dem die Bestien besagtes Material horten. Tief unter der Erde entspinnt sich ein erbitterter Kampf.

Der Erfolg bleibt nicht aus: Zur ´Belohnung´ werden Hale und seine Leute - die "Sentinels" - in die Ruinen der von den Bestien besetzten Stadt Chicago geschickt. Dort vermutet die Regierung ihren abgängigen Verteidigungsminister, der den Präsidenten als Verräter brandmarken und mit den "Freedom First"-Rebellen paktieren will. Doch die Schimären haben ihn erwischt, und wenn sie ihn dingfest machen wollen, müssen die Sentinels in eine wahre Bestien-Höhle vorstoßen ...

Vom Ballerspiel zum Buch

"Resistance"-Fans sind wahrscheinlich nicht überrascht, dass der Roman zum Playstation-Game überraschend lesbar geraten ist: Obwohl vor allem auf Alien jeglicher Gestalt und Größe geballert wird, ruht die "Resistance"-Story doch auf einem recht detailreich ausgeführten ´historischen´ Fundament. Der Grundton ist düster, die Umsetzung konsequent. Vor allem ist der Plot gut für unendlich viele Geschichten aus einem solide gefügten Mythos: Der Kampf Mensch gegen Bestien kann praktisch unendlich fortgesetzt werden. Limitierender Faktor ist allein das Interesse der (zahlenden) Kunden.

Diese sollen nicht nur durch das (inzwischen fortgesetzte) Spiel, sondern auch durch allerlei Franchise-Artikel an das "Resistance"-Produkt gebunden werden. Da mit einem Film zum Spiel (noch) nicht zu rechnen ist, müssen Comics und Romane die Lücke schließen und womöglich jene mit ins Boot ziehen, die keine Lust haben, sich Tage & Nächte im Kampf gegen digitale "Wanzen", "Wühler", "Stahlköpfe" u. a. außerirdische Ungetüme um die Ohren zu schlagen.

"Tie-in"-Romane sind Bestandteil der modernen Franchise-Geschäftspolitik. Sie beschränken sich in der Regel auf das schlicht und lieblos aufbereitete Recycling zentraler Elemente des Primär-Produkts, werden billig hergestellt und rasch auf den Markt geworfen. Autoren, die kein Problem mit Qualitätsansprüchen (bzw. deren Fehlen) haben sowie schnell und termingerecht schreiben (oder besser: produzieren) können, finden hier ihre Nische. Viele Autoren schreiben quasi exklusiv für die "tie-in"-Industrie, aber auch Verfasser, die sonst ´richtige´ Bücher mit selbst ausgedachten Handlungen schreiben, nehmen hin und wieder gern den schnellen Dollar mit.

Zwischen Action und Waffen-Fetischismus

William C. Dietz schwebt gewissermaßen zwischen beiden Welten. Das militärische Element bildet die gemeinsame Klammer. Die "Military Science Fiction" wird gern als Variante des "Landser"-Romans geschmäht. Sehr oft trifft dieser Vorwurf zu, wobei der gewalttätige Aspekt durch die Verlagerung in ferne oder zukünftige Welten gemildert oder getarnt wird. Fakt bleibt jedoch, dass "Military SF" in einem simpel gegliederten Mikrokosmos spielt, der von strengen Regeln und Hierarchien gekennzeichnet ist ("Befehl ist Befehl") und in dem Ordnung mit Waffengewalt hergestellt wird.

Auf die Handlungsstrukturen dieses Genres, vor allem aber auf seine Klischees muss der Leser sich einlassen. Auch "Ein Sturm zieht auf" wimmelt von militärischen Abkürzungen. Feuerwaffen und Kriegsgeräte werden detailliert beschrieben. Noch liebevoller geraten die Schilderungen der Sach- und Körperschäden, die sie anrichten. Soldatischer Alltag wird ausgebreitet, US-typische "Sir-Jawoll-Sir"-Appell-Rituale mit lässiger Kameradschaft gekreuzt. Selbstverständlich gibt es einen bärenhaften Unteroffizier mit polnischem Nachnamen, der stets dort zu finden ist, wo es besonders heftig zugeht - also im Kampf und später in der Kneipe.

Mit "Ein Sturm zieht auf" bedient Dietz die genannten Genrevorgaben, bietet daneben aber vor allem in den ersten beiden Roman-Dritteln gut getimte, spannende Action und überrascht mit einigen gegen den erwarteten Strich gekämmten Figur-Persönlichkeiten (was mit dem auf den letzten 100 Seiten zerfasernden roten Fadens einigermaßen versöhnt): Der US-Verteidigungsminister hält seinen Präsidenten für einen Verräter und geht in den Untergrund, besagter Präsident schickt ihm eine Todesschwadron hinterher. Die Staatsführung lebt privilegiert, während die flüchtenden Bürger in Zelt- und Hüttenslums getrieben sowie mit Stacheldraht und drakonischen Gesetzen in Schach gehalten werden. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist selbstverständlich außer Kraft gesetzt, wobei Dietz das darüber entstehende Unbehagen ausgerechnet in einem eisenharten Elitekämpfer aufkeimen lässt.

Klischees und Klassiker

Der ´einfache Soldat´ ist der per-se-Held jeder Geschichte, die im Militär-Milieu spielt. Hauptgegner ist nicht der jeweilige Feind, der im Feld bekämpft wird. Verständnis- und rücksichtslose Vorgesetzte sind eine der ständigen Plagen. In der Sicherheit der Etappe lauern außerdem tückisch Schurken, die mit herabgelassenem Visier und glitschig wie Aale den tapfereren Soldaten den Dolch hinterrücks in die Rücken stoßen: Politiker, Journalisten, Friedensaktivisten (in dieser Reihenfolge) wissen entweder den Einsatz jener Männer (und Frauen) nicht zu würdigen, die für sie in den Kampf ziehen, oder versuchen sie zu instrumentalisieren und auszunutzen: Der Soldat an der Front wird verheizt und rechnet auch damit. An seinem Pflichtbewusstsein ändert dies nichts, denn im Hintergrund ragt über aller Korruption das patriotisch-hehre (und glücklicherweise verschwommene) Ideal freier Vereinigter Staaten auf.

Dietz mag auf diese vor allem in konservativen Kreisen beliebte Konstellation nicht verzichten. Wenigstens zeitweilig verwischt er die Grenzen zwischen ´Weiß´ und ´Schwarz´: Wer in der bestialischen US-Welt dieses 20. Jahrhunderts Dissident oder Rebell, desillusionierter Realist oder Verräter, Kollaborateur oder ethikfreier Taktiker ist, bleibt lange offen. Dietz zeigt Menschen, die das Beste wollen, ohne sich über den Weg dorthin einig zu sein, zumal es womöglich nur einen Weg gar nicht gibt.

Wer sich nun sorgen sollte, dass "Ein Sturm zieht auf" den Tatbestand literarisch wertvoller Mehrdeutigkeit erfüllen könnte, sei beruhigt: Im Vordergrund steht stets die Unterhaltung. Im großen Finale werden die Schweine von den Schafen getrennt und letztere geschlachtet. Von Uncle Sams Geist beseelt, sichert Nathan Hale mit dem Instinkt des Individuums die sowohl richtige als auch ehrenvolle Fortsetzung des ´gerechten´ Kampfes gegen die Bestien. Dietz gebührt Dank und Anerkennung dafür, dass er seinen Job auf einem soliden erzählhandwerklichen Niveau erledigt - und selbstverständlich gilt: Fortsetzung folgt.

Ein Sturm zieht auf

William C. Dietz, -

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