Der Veteran
- Blanvalet
- Erschienen: Januar 2010
- 4
Der mit Gewissen über Leichen geht
Jakob Douglas, der Veteran im Krieg gegen SIE, eine undefinierbare außerirdische Spezies, will nur noch seine Ruhe haben, genug Geld für gepanschten Whiskey, Zigaretten, Drogen und für den Aufenthalt in einer Senso-Kabine, in der ihm sein persönliches Glück vorgaukelt wird. Da reißt es ihn aus seiner mit dem letzten Geld gekauften Sitzung heraus. Major Rollestone, sein ehemaliger skrupelloser Chef, holt den Soldaten der Spezialeinheit aus dem Ruhestand und aktiviert seine technische Aufrüstung wieder. Eine Kapsel mit einem Alien an Bord ist auf die Erde gestürzt, und Jakob soll ES finden und unschädlich machen. Doch jemand ist ihm zuvor gekommen. Seine Recherche führt ihn zu einem Parkranger, der das Alien schon an einen Bordellbesitzer verkauft hat. Im durch aufgerüstete Wachmänner geschützten Etablissement begegnet ihm die 17-jährige Prostituierte Morag, die ihm erklärt, dass das Alien ein Botschafter des Friedens ist. Mit ihr gemeinsam und dem Alien ist er zuerst auf der Flucht und später auf der Suche nach Wahrheit. Auf ihrem Weg zur Rettung der Menschheit sammeln sie alte und neue Verbündete.
Wieder einmal Military-Sci-Fi. Der Grundplot ist nicht wirklich neu oder ausgefallen. Der Brite Gavin Smith bedient in seinem Erstlingswerk die Anforderungen dieses Genres. Der Fan dieser Literatur bekommt reichlich phantastischen Stoff über technische Raffinessen einer möglichen Aufrüstung des menschlichen Körpers bzw. über den Ersatz von Organen und Sinnesorganen durch ausgefeilte Technik. Das gilt selbstverständlich auch für sämtliche Kriegsmaschinerie. Dieser Leserkreis bekommt also satte Kost, wenn er denn auch die immer wieder moralischen, politischen, philosophischen und besonders religiösen Ergüsse mag.
Statt findet diese Geschichte nach dem finalen Menschheitskonflikt, in dem die Supermächte reichlich Atombomben auf der Erde verstreut hatten. Jeder versucht, irgendwo einen gering verstrahlten Platz zum Leben zu finden. Unterschiede zwischen Arm und Reich hat er auf die Spitze getrieben. Da Jakob trotz seiner privilegierten Vergangenheit zu den Verlierern des Systems zählt, spielt die Story im Schmutz. Zerstörte Häuser, Industrieanlagen, an die Küsten gespülte Bohrinseln bieten Rückzugsmöglichkeiten für Menschen. Dieses Ambiente und seine Erinnerungen an Schlachten mit IHNEN könnte in das Schubfach "Horror-SciFi" passen.
Moderne Schnitzeljagd im Dreck
In diesem ganzen Schlamm und Dreck kämpft Douglas mit seiner Crew um Menschlichkeit, um Solidarität, um Ehrlichkeit und den Sinn des Lebens. Auf jeden Fall erzählt Smith unwahrscheinlich spannend und sprachgewandt. Der Leser wird von einem Ereignis zum nächsten gejagt. Doch bei genauerem Nachdenken drängt sich die Erkenntnis auf, dass das Buch auch nichts anderes ist als ein Actionfilm, in dem der Held ab und zu einmal anhält, um darüber zu reflektieren, was die Welt zusammen hält und was er damit eigentlich zu schaffen hat. Jakob erscheint in seinem Handeln teilweise schizophren, er will das Gute, setzt aber seine Interessen außerordentlich gewalttätig durch. Diesen Zwiespalt setzt Smith gekonnt in Szene.
Die einzelnen Kämpfer, die sich Jakob und der Prostituierten Morag auf dem Weg zur Beendigung des Krieges anschließen, sind farbenfrohe Individualisten. Ein religiöser Hacker, ein Journalist, ein Ex-Gurkha, ein Fisch-Cyborg, zwei durchgeknallte Piloten und letztendlich sein ehemals bester Freund aus der Spezialeinheit. Jeder hat sein ganz eigenes Motiv, um bei dieser modernen Schnitzeljagd zu sein.
Die Story ist grausam, brutal, teilweise eklig - doch fällt es schwer, das Buch aus der Hand zu legen. Auf dem Buchrücken wird Smith als neuer Superstar der britischen SF angekündigt - das ist eindeutig zu hoch gegriffen. Gute Mittelklasse trifft es eher.
(Amandara M. Schulzke, Dezember 2012)
Gavin Smith, Blanvalet
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