Der Turm der Raben
- Blanvalet
- Erschienen: Januar 2009
- 2
„Strudel der Ereignisse
Das namenlose Mädchen fängt nicht nur eine geflügelte Stute ein, sie bindet sich an ihr fest und flieht. Besinnungslos findet sie der junge Lewen, der seine Ferien von der Theurgia, der Schule der Magie, in der Hauptstadt und als Knappe des Righ (Königs) bei seinen Eltern verbringt. Als Reiterin eines geflügelten Pferdes soll Rhiannon - ein Name, den sie gemeinsam ausgesucht haben - mitkommen. Eindeutig muss die wilde Satyricorn über Magie verfügen, sonst wäre es ihr nie gelungen, ein geflügeltes Pferd zu reiten. Ein Magier-Jongleurpaar und ihr kleiner Sohn holt sie mit anderen jungen Leuten ab, die ihr erstes Jahr auf der Theurgia verbringen wollen. Die Reise dahin soll ihre erste Herausforderung sein. Wie sehr sie zur Herausforderung wird, hätte keiner vorher vermuten können. Ein toter Krieger, der Vertraute des Königs, wird just in dem Moment aus dem Fluss gezogen, als die Truppe dort vorbei kommt. Deshalb beschließen sie, einen schnelleren Weg zu wählen, um dem König zu berichten. Dafür müssen sie durch das Land, das früher vom Turm der Raben beherrscht wurde. Heute verbarrikadieren sich die wenigen Bewohner der Gegend in ihren Häusern. Allzu schnell müssen die Reisenden erfahren, warum.
Starke Charaktere treiben die Story voran
Kate Forsyth, die Australierin mit unverkennbar schottischen Wurzeln, taucht mit diesem Roman, der erstmalig 2004 in Englisch erschien, wieder in die Welt Eileanan ein. Wir begegnen zahlreichen Fabelwesen, die entweder abseits von den Menschen oder mit ihnen leben. Auch wer die Bücher über die Hexen von Eileanan nicht gelesen hat, findet sich schnell in diese fantastische Welt ein. Als Mittel, die Leser schnell mit der Vorgeschichte bekannt zu machen, nutzt Forsyth Gespräche am Tisch, als die Gruppe ankommt, die eigentlich nur Lewen abholen soll. Diese sind teils etwas langatmig, denn der Leser will zügiger wissen, wie es mit Rhiannon weiter geht.
Der Covertext ist schlecht gelungen und irritierend, denn die junge Frau ist viel zu wenig die Protagonistin des Buches, um ihr alleinigen Raum in der Ankündigung zu geben. Das Buch bietet viel mehr als der Text andeutet. Andere starke Charaktere, wie Nina - Jongleurin, Magierin, Freundin des Königs und hoch geboren - treiben die Story genau so voran wie Lewen, der Holzmagier. Einfühlsam lässt uns Forsyth an Entscheidungen und Handlungen teil nehmen und sie, seien sie noch so moralisch verwerflich, verstehen.
Schade ist, dass es im Klappentext über die Autorin nur zwei nichtssagende Sätze gibt. Verschwiegen wird, dass sie bis heute mindestens 14 Fantasyromane veröffentlicht hat, die meisten davon auch ins Deutsche übersetzt wurden. Sehr schade ist, dass der Verlag keinen Hinweis gibt, dass der Turm der Raben der erste Band einer Trilogie „Rhiannon's Ride" ist.
Nichts für zarte Gemüter
Entgegen aller Warnungen geht es ins Land der Raben. Es gab schon Horrorgeschichten, die weniger gruselig waren. Es sträuben sich teilweise die Nackenhaare. Uns begegnen Wesen wie aus Computerspielen. Ein Roman, von dem man sich schwer losreißen kann. Als ‚stilsicher und souverän‘ bezeichnet die Presse die Autorin. Ja, sie erfüllt alle Gebote des Genres. Dabei schafft sie einleuchtende Bilder und liebenswerte oder verachtenswürdige Personen. Einen Mangel hat das Buch: Rhiannon ist eine Wilde, die nur bis zu ihrem 5. Lebensjahr ein wenig menschliche Erziehung durch ihren gefangenen Vater hatte. Anfangs kann sie sich nur unbeholfen äußern, reagiert äußerst aggressiv auf diejenigen, die ihr nur helfen wollen, stopft Unmengen von Essen in sich hinein. In den zwei Tagen bei Lewens Familie lernt sie die Zivilisation kennen, ein wenig später auch lesen. Doch verwundert es, dass sie in kürzester Zeit einen Wortschatz verwendet, wie es einer Wilden nicht möglich sein dürfte. Wer darüber hinweg sehen kann, dem empfehlen wir den „Turm der Raben" als gelungene Fantasy.
Kate Forsyth, Blanvalet
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