Elm Haven

  • Heyne
  • Erschienen: März 2019
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Elm Haven
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Regine Bacherle
95°1001

Phantastik-Couch Rezension vonJun 2019

Elm Haven – Das Buch, Dan Simmons – Der Autor

Bevor ich mit der eigentlichen Rezension des Buches beginne, möchte ich einleitend einige Fakten erwähnen:

Das Buch Elm Haven, wie es in der hier angegebenen Fassung vorliegt, ist ein Sammelband der beiden Bücher „Sommer der Nacht“ und „Im Auge des Winters“. Es ist eine überarbeitete Neuausgabe der Originale von 1991 und 2002.

Dan Simmons ist bekannt für umfassende Werke, gute Recherche und einem unübertroffenen Schreibstil. Er verknüpft allgemein bekannte Dinge in neuer Art und unterlegt diese mit einem  mysteriösen, originellen Horror.

„Sommer der Nacht“

Elm Haven, eine eher dörfliche Ansammlung weniger Häuser in den USA im Jahr 1960, ehemals bekannt durch „Old Central“, diesem massiven Bauwerk, erschaffen 1876, dem man eine große Zukunft vorhersagte.  Es sollte eine der größten Schulen werden, Universität, Bibliotheken enthalten und dem Land einen Zustrom an gebildeten Siedlern bringen, die stolz wären, in diesem aufgeblähten, monströsen Gebäude unterrichtet zu werden, beziehungsweise selbst zu lehren.

Nichts davon ist je eingetreten und 1960 ist Elm Haven eine runtergekommene Stadt mit eher verarmten Einwohnern und einem verfallenen, bedrohlich wirkenden Bau, in dem am 01. Juni zum letzten Mal eine Schulstunde abgehalten wird.

Mit Beginn der Sommerferien soll „Old Central School“ endgültig vernagelt werden, um wenige Wochen später abgerissen zu werden.

Während die Schüler gelangweilt auf den letzten erlösenden Glockenton warten, verschwindet ein kleiner Junge im Keller, doch niemand sucht, keiner nimmt es ernst. Die Familie des Jungen, verarmt in einer Containerhütte lebend, wird immer wieder abgewiesen. Vermutlich ist er einfach abgehauen, wie viele der verwahrlosten Kinder, die in Elm Haven keine Hoffnung haben.

Für fünf Schulfreunde ist dieser Vorfall ein Grund, Nachforschungen anzustellen. Aus einem kindlichen Beschattungsspiel wird tödlicher Ernst.

„Im Auge des Winters“

Nach 41 Jahren kehrt ein ehemaliger Schüler nach Elm Haven zurück. In einer tiefen Lebenskrise steckend, bezieht er das Haus des früheren Freundes. Geflüchtet aus dem scheinbar vermasselten, gescheiterten Leben, erscheint die Stille und die Abgeschiedenheit der verfallenden Farm wie eine Rettungsinsel.

Hier will er in einer Auszeit zur Ruhe kommen, Schreiben und Reflektieren. Er will nach Erinnerungen suchen, nachfühlen, wie es war, Kind zu sein. Frei zu sein in scheinbar endlosen Sommerferien.

Er hat vergessen, was 1960 geschah.

Und er ist erwachsen.

Er hat nicht mehr diese Unvoreingenommenheit, mit der er als Kind auf die Bedrohung zuging. Der Verstand reagiert mit Logik, nicht mit Instinkt.

Ein offenes Wort

Diejenigen Leser, die einen harten Horrorroman suchen, viel Action und Tempo, die sind hier völlig falsch. Finger weg vom Buch, das kann nur eine Enttäuschung werden!

Dan Simmons nimmt sich Zeit ------ viel Zeit.

Für Fans und bekannte Leser dieses Autors kann man nur sagen: Kaufen und Lesen! Es sind frühe Romane des Autors, aber unverkennbar sein Werk. Und es ist genial!

Für neue Leser sei gesagt, Dan Simmons schreibt mit einem unübertroffenen Stil. Es ist eine Wonne, die Sätze zu lesen. Jedes Wort sitzt, kein Satz zu lang, keine Wiederholungen, holprigen oder unrunden Stellen. Es ist ein Lesefluss, der bewirkt, dass man in kürzester Zeit nicht liest, auch nicht sieht, sondern selbst erlebt. Man fühlt die Sonne auf der Haut, hört die Insekten summen und atmet die satte Landluft von 1960. Man ist seitenlang beim Spiel der Kinder dabei, verdreckt und müde am Abend, es ist kein Film, sondern aktives Erleben. Dan Simmons ist DER Autor der Atmosphäre, des Beschreibens von Sinneseindrücken ohne zu schwafeln. Er verliert sich nicht, sondern folgt dem Manuskript des Lebens, aber Vorsicht! Er ändert das behäbige Tempo auch dann nicht, wenn die Bedrohung kommt. Er zwingt den Leser, auch diese Stellen in einer zeitlupenartigen Langsamkeit zu erleben.

Manche mögen dies als „langatmig“ bezeichnen, aber das ist nicht korrekt.

Der Leser lebt das Leben in Elm Haven, er steht nicht außerhalb der Buchdeckel, und was dauert, das dauert.

Oft hat es den Eindruck des „Wiegens in der heilen Welt“, bis das Grauen gnadenlos zuschlägt.

Und es war die richtige Entscheidung, beide Bücher zusammenzufassen. Nur so kann der Wechsel zwischen kindlichem Verhalten mit unerschrockenem, skrupellosem Handeln und dem erwachsenen Verstand mit gebremster Reaktion wirklich zur Geltung kommen.  Diese Ablehnung von mysteriösen Vorgängen, die Suche nach logischen Erklärungen eingebettet in den Schatten der Depression und der Einsamkeit, den Selbstvorwürfen, dem destruktiven Verhalten. Schwankend zwischen mysteriösem Grauen, realer Bedrohung, nebulösen Erinnerungsfetzen und eigener Fantasie torkelt der Leser dem genialen Ende entgegen!

Fazit:

Eintausendsechs Seiten wunderschönster Belletristik zum Eintauchen  und stundelangem Schmökern, wenn da nicht DAS Böse wäre!

Elm Haven

Dan Simmons, Heyne

Elm Haven

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