Film:
Ghosts of War

Film-Kritik von Michael Drewniok

Verschrecktes dreckiges (halbes) Dutzend

Zunächst ist die Freude groß, denn der neue Auftrag wirkt auf die jungen, aber müden oder besser ausgebrannten Soldaten wie ein Haupttreffer: Chris, Kirk, Eugene, Tappert und Butchie, die im Juni 1944 im Rahmen der Normandie-Invasion in das von Nazi-Deutschland besetzte Frankreich kamen und seither ständig unter Beschuss standen, sollen ein leerstehendes Landschloss bewachen. Die Deutschen haben es geräumt, die Alliierten wollen es übernehmen. Das Quintett hat zu gewährleisten, dass die Deutschen sich nicht heimlich erneut einnisten.

Zwar wirkt es verdächtig, in welcher Eile die erste Wachgruppe auf ihre Ablösung wartet; ihr Abrücken gleicht einer Flucht. Dennoch freuen sich die fünf Kameraden: Sie haben ein Dach über dem Kopf, die Möbel sind bequem, Speisekammer und Weinkeller gut gefüllt.

Noch vor der Geisterstunde beginnt es sich im Schloss zu regen. Schatten huschen umher, seltsame Geräusche ertönen, später hört man verzweifelte Schreie. Man wähnt den Feind im Gebäude, aber tatsächlich sind es die Geister der Eigentümer, die sich nachdrücklich und rachedurstig bemerkbar machen: Familie Helwig - Vater, Mutter, Sohn und Tochter - wurden von den Nazis grausam ermordet, weil sie jüdischen Flüchtlingen Unterschlupf gewährt hatten.

Als der Spuk an Intensität zunimmt, wird er von den zunächst skeptischen Soldaten als solcher akzeptiert. Man beschließt das Schloss zu verlassen, aber wohin sich die Männer auch wenden, sie landen immer wieder an ihrem Ausgangspunkt. Nun will man mit den Phantomen ‚verhandeln‘; womöglich geben sie Ruhe, wenn sie ordnungsgemäß begraben werden? Statt sich besänftigen zu lassen, reagieren die Geister immer angriffslustiger. Zudem nähert sich draußen eine deutsche Truppe, die von dem Schloss weiß.

Der erbitterte Kampf gegen den Feind und das Grauen findet parallel statt. Auf dem Höhepunkt bricht er ab: Die geschockten Männer finden sich in einer völlig neuen, unbekannten Umgebung wieder, aber der Horror ist ihnen dorthin gefolgt …

Wenn eine Idee allzu überlebenslustig ist

Natürlich horcht man auf, wenn als Regisseur und Autor eines Films Eric Bress genannt wird: Schließlich hat er uns 2004 den modernen Phantastik-Klassiker „The Butterfly Effect“ beschert sowie für die Episoden 2 (2003) und 4 (2009) der „Final-Destination“-Serie die Drehbücher geschrieben. Das Interesse wächst, sobald einem bewusst wird, dass Bress, der als Hoffnung des modernen Horrorfilms gehandelt wurde, seit mehr als zehn Jahren nichts mehr von sich hat hören (bzw. sehen) lassen. Umso größer ist die Enttäuschung und „Ghosts of War“ sowohl inhaltlich als auch formal der sprichwörtliche Schuss in den Ofen. Man fragt sich, was zwischen „The Butterfly Effect“ und „Ghosts of War“ mit Eric Bress geschehen ist.

Schon die Idee ist seltsam bzw. wird unzureichend umgesetzt. Eigentlich sehen wir weder einen Kriegs- noch einen Horror-, sondern einen Science-Fiction-Film. An dieser Stelle soll nicht zu viel über die Handlung verraten werden, was eine Kritik allerdings kompliziert, da der Moment, in dem Bress enthüllt, was ‚wirklich‘ vorgeht, auch der Punkt ist, an dem ihm sein Publikum entweder in die neue Richtung folgt oder endgültig aufgibt. Liest man die Kommentare zum Film, ist die Gruppe der erzürnten Zuschauer deutlich kopfstärker.

Die Irritation macht sich jedoch schon früher bemerkbar. Zwar sollen wir verunsichert sein, denn zeitgleich mit den fünf Soldaten möchte Bress auch uns in eine Szenerie versetzen, in der nichts so ist wie es zu sein scheint. In „The Butterfly Effect“ ist ihm dieser Seiltanz gelungen. Hier stürzt er ab. Das heimgesuchte Schloss ist allzu offensichtlich eine Kulisse, in seinem Inneren haben die Geister ungeduldig auf ihre Opfer gewartet. Sobald diese eingetroffen sind, geht der Spuk los. Die Tages- bzw. Nachtzeit ist den Phantomen gleichgültig. An eine Geisterstunde sind sie nicht gebunden.

Erst spukt es, dann kommen auch noch die Nazis

Viel Zeit vergeht, bis die Männer akzeptieren, dass es im Schloss spukt. Dann wird einerseits nach einer Erklärung gesucht, während man sich planlos immer wieder trennt, was natürlich den Geistern die Möglichkeit gibt, solche Alleingänger erst recht zu überfallen. Das Drehbuch gestattet nur selten plausible Reaktionen. Hinzu kommen persönliche Probleme aufgrund erlittener oder verursachter Kriegsgräuel, die zwischen den Attacken gern ausführlich vorgetragen werden.

Zu allem Überfluss kehren die Nazis zurück. Der Spuk wird ausgeblendet bzw. ersetzt durch ein wüstes Gemetzel, bis sämtliche Eindringlinge tot am Boden liegen. Dabei geht es nicht zimperlich zu, wie „Ghosts of War“ überhaupt in detailfreudigen Blutbädern schwelgt. Offensichtlich will Bress auf diese Weise die „Grausamkeit des Krieges“ unterstreichen. Stattdessen stellt er primär die Freunde einschlägiger Spezialeffekte zufrieden.

Nicht nur die offensichtliche Schloss-Kulisse kündet von einem knappen Budget. Gedreht wurde nicht in Frankreich, sondern kostengünstig in Bulgarien. Schleichen die Männer nicht durch das Schloss, streifen sie über krautige Wiesen oder durch struppige Wälder, was die Produktionsbörse zusätzlich schont; hin und wieder steht plakativ ein ‚zerschossener‘ Liefer- oder Krankenwagen am Bildrand, um an Zeit und Ort zu erinnern. Die Effekte sind oft als solche erkennbar, aber in der Regel ordentlich, was man vom Schnitt nicht behaupten kann. Dem Film fehlt ein innerer Rhythmus, das Geschehen stolpert eher voran.

Das hat selbstverständlich eine Moral

Die Männer bleiben uns herzlich gleichgültig, obwohl sich Bress mächtig ins Zeug legt, ihre seelische Beschädigung durch den Krieg zu verdeutlichen. Dann beginnen die Helwigs wieder zu rumoren, und die Stimmung kippt abrupt um: Jetzt sind wir in einem Horrorfilm! Die Helwigs können uns übrigens ebenfalls (und trotz langwieriger Ermordung) zumindest als Gespenster nicht beeindrucken. Einfallsarmes Make-up und Sparflammen-CGI gehen eine nur unfreiwillig gruselige Verbindung ein.

Dann kommt der schon genannte Augenblick, in dem sich das Geschehen gänzlich auflöst bzw. eine völlig unerwartete Perspektive offenbart. Bress öffnet eine zweite Verständnisebene. Krieg ist die Hölle, und selbst wer ihn überlebt, wird mit den Folgen oft nicht fertig. Daran hat sich nichts geändert, daran wird sich - besonders im Film - nichts ändern, obwohl Bress mit dem Wissenschaftler Dr. Engel eines jener Genies einführt, die sich ganz im Geist des Dr. Frankenstein darum kümmern. (Mit-Produzent Billy Zane gönnt sich hier einen Gastauftritt; Glatze und Gewicht legen nahe, dass er sich bereits - erstaunlich überzeugend - in den Schauspieler Marlon Brando verwandelt, den er in „Waltzing with Brando“ spielen wird.)

Letztlich geht es Bress wohl um die symbolhafte Darstellung der zeitlosen Grausamkeit (oder grausamen Zeitlosigkeit) des Krieges. Dies ist einerseits eine Tatsache und andererseits eine Plattitüde, der auch Bress nichts Neues abgewinnt. Möglicherweise greifen tiefergehende Interpretationen dieses Films ohnehin ins Leere und Bress erzählt einfach eine Geschichte, deren finale Wendung ihm entglitten ist. „The Butterfly Effect“ erweist sich nicht unbedingt als Segen; man erwartet (zu) viel von dem Mann, dem ein cineastischer Volltreffer gelang, der aber damit sein Pulver vielleicht bereits verschossen hat. „The Ghosts of War“ ist bestenfalls mittelmäßig und manchmal einfach misslungen. Man schaut sich den Film an und ist mehrheitlich ratlos oder sauer, wenn die Schlusstitel anlaufen. So wie Bress sein Garn gesponnen hat, liegt man damit durchaus richtig.

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Fotos: © Capelight Pictures

Ghosts of War

  • Originaltitel: Ghosts of War (Großbritannien 2020)
  • Regie u. Drehbuch: Eric Bress
  • Kamera: Lorenzo Senatore
  • Schnitt: Peter Amundson
  • Musik: Michael Suby
  • Darsteller: Brenton Thwaites (Chris), Theo Rossi (Kirk), Skylar Astin (Eugene), Kyle Gallner (Tappert), Alan Ritchson (Butchie), Billy Zane (Dr. Engel), Shaun Toub (Mr. Helwig), Laila Banki (Mrs. Helwig), Yanitsa Mihailova (Christina Helwig), Kaloyan Hristov (Helwig-Sohn), Alexander Keshtkar (Terroristenführer) u. a.
  • Label: Capelight Pictures (http://capelight.de)
  • Vertrieb: Al!ve AG
  • Erscheinungsdatum: 23.10.2020
  • EAN: 4042564208658 (DVD)/ (Blu-ray)
  • Bildformat: 16 : 9 (2,39 : 1, anamorph)
  • Audio: Dolby Digital 5.1 (Deutsch, Englisch) [DVD]/DTS-HD MA 5.1 (Deutsch, Englisch) [Blu-ray]
  • Untertitel: Deutsch
  • Typ: 1 x DVD-9 (Regionalcode: 2) [DVD]/Blu-ray Case (Amaray)
  • Länge: 91 min. (Blu-ray: 96 min.)
  • FSK: 16
  • Die ‚Extras‘ beschränken sich auf den Trailer zum Film.

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