Der Exorzist - Bekenntnis

Film-Besprechung von Michael Drewniok

Seit er vor mehr als zehn Jahren seine Ehefrau bei einem tragischen Unfall verlor, ist Victor Fielding wie eine Glucke stets um Tochter Angela. Die kommt just in ein Alter, in dem sie solche Überfürsorge als lästig empfindet. Außerdem will sie mehr über ihre Mutter erfahren. Da Victor das Thema schmerzt, blockt er ab. Also versucht es Angela auf unkonventionelle Weise: Freundin Katherine behauptet, mit dem Jenseits Kontakt aufnehmen zu können. Dies versuchen die Mädchen in einem nahen Wald; anschließend sind sie spurlos verschwunden.

Drei Tage später können die entsetzten Eltern ihre Töchter scheinbar unversehrt in die Arme schließen: Sie wurden 50 Kilometer von ihrem Heimatort entfernt in einer Scheune gefunden. Dorthin sind sie offensichtlich zu Fuß gelaufen, doch was ihnen zugestoßen ist, bleibt rätselhaft, denn sowohl Angela als auch Katherine besitzen keinerlei Erinnerungen an das Geschehene.

Kurz darauf werden beide Mädchen auffällig. Sie benehmen sich bedrohlich, anstößig, werden zunehmend aggressiv. Die Ärzte stehen vor einem Rätsel, aber Krankenschwester Ann hat eine Vermutung. Sie drückt Victor ein Buch in die Hand, deren Autorin schildert, wie ihre Tochter einst von einem Dämon besessen wurde, der durch einen Exorzismus ausgetrieben werden musste.

Zunächst skeptisch, treibt die Tatsache, dass die Mädchen immer weiter verfallen, Victor zur ehemaligen Schauspielerin Chris MacNeil. Sie erkennt die Zeichen und rät zu einem Exorzismus. Die ratlosen, überaus frommen Eltern von Katherine sind damit einverstanden. Zwei Priester, eine ‚alternative‘ Medizinerin und Schwester Ann verstärken das Team um Vater Maddox, der die Austreibung durchführen soll.

Doch das Bistum verbietet ihm diesen Dienst. Also versucht die Gruppe es selbst mit dem Dämonen aufzunehmen, der beide Mädchen in seinem Bann hält. Dieser merkt schnell, dass er es mit ‚Amateuren‘ zu tun hat, und treibt sein böses Spiel mit ihnen. Die Situation eskaliert mehrfach, bis Father Maddox auf der Türschwelle erscheint: Sein Gewissen ließ ihm keine Ruhe, er will helfen. Dies ergrimmt den Dämon derart, dass er drastische Maßnahmen ergreift sowie die Eltern vor die Wahl stellt: Aus dem einen Mädchen will er ausfahren, das andere wird er töten. Die Eltern sollen die Entscheidung treffen ...

Verteufelte Vorgeschichte

In diesem Franchise steckt wahrlich der Teufel: 1973 schuf Regisseur William Friedkin nach dem gleichnamigen Roman des Schriftstellers William Peter Blatty den Film „Der Exorzist“. Dieser erzählt davon, wie der mesopotamische Dämon Pazuzu in ein kleines Mädchen fährt und nicht weichen will, bis sich ihm zwei im Glauben wankelmütige Priester in den Weg stellen. Ein gnadenloser Kampf um des Mädchens Seele setzt ein, den beide nicht überleben. „Der Exorzist“ brach nicht nur Kassenrekorde, sondern galt auch seitens der Kritik als Meisterwerk. Längst ist der Film als Klassiker anerkannt. Noch heute ist er eindrucksvoll, weil er seine spannende Geschichte kompromisslos erzählt. Hinzu kommen die Leistungen großartiger Schauspieler sowie hinter der Kamera eine Arbeitsqualität, die sich in jeder Szene, jedem Bild, jedem Dialog und oft sogar jedem Ton widerspiegelt.

Das Böse ließ sich nicht lange vertreiben. Der Fluch des Blockbusters ist ein bekanntes Phänomen: Fortsetzungen entstehen, um die Kuh weiter zu melken. Das Risiko ist hoch, denn treibt man es gar zu bunt, wird das Ergebnis in der Regel als Machwerk erkannt und abgelehnt. So kam es in unserem Fall, denn „Exorzist II -The Heretic“ (1978; dt. „Exorzist II - Der Ketzer“) gilt als Schandfleck in der Karriere des Regisseurs John Boorman sowie insgesamt und in sämtlichen Details als Fiasko. Ein dritter Versuch - dieses Mal nahm Autor Blatty persönlich im Regiestuhl Platz - schlug 1990 nicht ganz so spektakulär, aber trotzdem fehl („Exorzist III“).

Die nächste Rückkehr stand unter einem besonders ungünstigen Stern. 2004 sollten wir in dem Prequel „Exorcist: The Beginning“ (dt. „Exorzist - der Anfang“) erfahren, wie Pater Lankester Merrin aus Teil 1 und 2 1949 erstmals auf Pazuzu gestoßen war. Inszenieren sollte Paul Schrader, obwohl das Studio wusste, dass dieser Regisseur und Drehbuchautor filmisch eigene Wege ging und kein Jünger des Mainstreamkinos war. „The Beginning“ war abgedreht, als die Produzenten nach einer Sichtung zu dem Schluss kamen, dass es dem Werk entschieden an Schrecken und vor allem Blut und damit an Horrorfilm-Qualitäten fehlte. Sie feuerten Schrader und ersetzten ihn durch Renny Harlin („Stirb langsam 2“), der 90% des Films neu in Szene setzte und mit den gewünschten Effekten versah. Das Ergebnis floppte dennoch - und Paul Schrader durfte 2005 seine Version als „Dominion - Prequel to the Exorcist“ (dt. „Dominion - Exorzist: Der Anfang des Bösen“) fertigstellen. So existieren zwei Fassungen der dritten Fortsetzung; ein interessantes Experiment, aber der vom Studio erhoffte Geldstrom blieb wiederum aus.

Es rührt sich wieder in der (Film-) Hölle

Klassisches Kino und Fernsehen wurden in den letzten Jahren durch diverse Streaming-Dienste ergänzt bzw. abgelöst. Diese Unternehmen produzieren in der Regel selbst und sind deshalb für die Filmschaffenden hinter und vor der Kamera zu wichtigen Arbeitgebern geworden. Da seit dem „Dominion“-Doppel-Desaster genug Jahre verstrichen waren, um das Scheitern in Vergessenheit geraten zu lassen, während der „Exorzisten“-Nimbus, der auf dem Klassiker von 1973 fußt, weiterhin blühte, war die Zeit reif für einen neuen Versuch.

Der Sender „Fox“ scheiterte 2016/17 nach zwei Staffeln und zwanzig Episoden mit einer durchaus aufwändig produzierten TV-Version. Sechs Jahre später und mit dem Blick auf das 50-jährige Jubiläum des Originalfilms sprang „Blumhouse Productions“ auf den stockenden Teufelszug auf, was seitens der Fans sowohl für Freude sorgte als auch Ängste schürte. Blumhouse ist eine wahre Horrorfilm-Schmiede und verantwortlich für Mega-Erfolge wie „Insidious“, „The Purge“ oder „Paranormal Activity“ - Filme, die mehr als einmal fortgesetzt wurden. Blumhouse-Produktionen gelten aber auch als solide in Szene gesetzter, aber ungeachtet beträchtlicher Schauwerte durch stereotype Storys und plumpe Buh!-Effekte geprägter Routine-Horror.

Dass Blumhouse solche Einwände ignoriert, stellt die „Halloween“-Trilogie unter Beweis, die ab 2018 ungeachtet miserabler Kritiken viel Geld in die Kassen spülte. Warum dies nicht mit dem „Exorzisten“ wiederholen? Tatsächlich ist „Believer“ nur der erste Teil eines Projekts, das seine Fortsetzung mit „Deceiver“ finden soll - und wird, denn die Faszination des „Exorzisten“ sorgte dafür, dass ungeachtet der ebenfalls verheerenden Resonanz der Rubel rollte. Immerhin will man über eine „Neuausrichtung“ nachdenken. Außerdem wird Regisseur und Drehbuch-Mitautor David Gordon Green nicht mehr wie ursprünglich vorgesehen für Story und Handlungsführung verantwortlich sein.

„Exorzist - Believer“: Man kann’s kaum glauben ...

Große Erwartungen führen zu besonders tiefen Enttäuschungen. Dies ist ein Risiko, das Filmproduzenten nicht scheuen, weil sie auf das kollektiv schwache Gedächtnis eines Publikums setzen, das Enttäuschungen schnell vergisst sowie sich durch die Ankündigung pausenloser Unterhaltung locken lässt. Bis sich herumgesprochen hat, dass man abermals hereingelegt wurde, haben die Produzenten ihr Geld meist im Sack.

In unserem Fall wurde u. a. viel Gewese um die Tatsache gemacht, dass mit Ellen Burstyn die ‚echte‘ Chris MacNeil aus dem Original von 1973 vor die Kamera gelockt werden konnte. So muss man dies beschreiben, denn Burstyn - zum Zeitpunkt der Dreharbeiten kurz vor ihrem 90. Geburtstag stehend - wusste sehr genau, dass sie primär als Lockmöhre für jene Hardcore-Fans diente, die gern wissen wollten, wie dieser Faden aufgegriffen wurde. Deshalb gab sie erst nach, als man ihre Gage verdoppelte (die sie anschließend einer wohltätigen Stiftung überwies).

Die Szenen, in denen Burstyn auftritt, sind für die Handlung ohne Belang und könnten problemlos entfallen. (Linda Blair blieb hinter der Kamera und ‚beriet‘ die jungen Hauptdarstellerinnen, wie man dämonische Besessenheit simuliert; dennoch sorgt sie im Epilog für einen echten „Fanboy-/Fangirl“-Moment - oder bereitet ihr Erscheinen in einem späteren Teil der Trilogie vor.) Leider reiht „Believer“ überhaupt so viele überflüssigen Szenen aneinander, dass man sich bald fragt, welche Geschichte hier eigentlich erzählt werden soll.

Ein Fall von Etikettenschwindel

„Believer“ versucht die Quadratur des Kreises: Der Film von 2023 soll den Geist der Vorlage von 1973 widerspiegeln und dennoch ‚modern‘ wirken. Dem stehen eine wahrhaft höllische Ideenarmut, eine träge Inszenierung sowie primär anwesende Schauspieler entgegen. „Believer“ kann sich von der Vorlage nicht lösen und den Mythos erst recht nicht durch Neues ergänzen. Die Handlung ergeht sich lange in Andeutungen und wirft Fragen auf, deren Antworten sich später als banal erweisen. Das gipfelt in einer Art Overkill, denn besessen werden dieses Mal zwei Mädchen, und am Exorzismus nehmen drei Priester, eine Ex-Nonne und eine Wunderheilerin teil; darüber hinaus mischen sich die drei Elternteile ein. Dieser Auftrieb soll die Macht des Dämons unterstreichen, sorgt jedoch stattdessen für Hektik oder eher Hysterie, was den intensiven Schrecken des Originals unfreiwillig karikiert.

Sicherlich ein kapitaler Knackpunkt ist die Tatsache, dass die Mädchen in „Bekenntnis“ nicht von Pazuzu besessen sind! Erst den Endtiteln ist zu entnehmen, dass dieses Mal eine gewisse Lamashtu ihr Unwesen trieb. Sie entstammt immerhin ebenfalls der mesopotamischen Dämonenwelt. Ihr Wirken ergibt sogar Sinn, da Lamashtu es mörderisch auf (ungeborene) Säuglinge und Kinder abgesehen hat.

Diese Information wird uns jedoch im Film vorenthalten. Dies führt zu einem gewaltigen Plot-Bruch, da sich Chris MacNeil und Lamashtu nie kennengelernt haben und deshalb nicht wiedererkennen dürften.

So schleppt sich das Geschehen schlingernd dem wenig spektakulären Finale entgegen, das immerhin daran erinnert, dass der Teufel immer lügt. Bis es soweit ist, müssen nicht nur die Make-up-Spezialisten schuften, um die besessenen Mädchen mit jenen Malen, Wunden und Verfärbungen zu versehen, für die ebenfalls der Originalfilm die Maßstäbe setzte. Zusätzlich wallen nunmehr digitale Dämpfe, was nicht gruselig, sondern (nicht nur angesichts der subtilen Effekte des Originals) lächerlich wirkt. So reihen sich die Enttäuschungen, bis man sich nach 111 Minuten fragt, ob „Believer“ ohne die erzwungene Verknüpfung mit dem „Exorzisten“-Mythos wenigstens als mittelmäßiger Horrorfilm besser funktioniert hätte.

Fazit

Der wiederholte Versuch einer Neubelebung der „Exorzisten“-Saga misslingt abermals. Die anti-originelle Handlung und die ideenarme Inszenierung geben Anlass zu der Vermutung, dass hier in erster Linie der Mythos gemolken werden soll.

Wertung: 3

Bilder: © 2023 Universal Studios. All Rights Reserved.

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