Deep Impact

Film-Besprechung von Marcel Scharrenbroich

Der große Knall

Jahr der Apokalypse

Immer wieder gibt es Filme, deren Plots sich ähneln. Unvermeidbar, denn in der mittlerweile 135-jährigen Geschichte des Films wurde so ziemlich jedes Thema schon mal beleuchtet. Mal aus einer anderen Perspektive, mal modern interpretiert, dann wieder 1:1 kopiert, wenn Hollywood mal wieder im Remake-Wahn war oder ist. Dubios erscheint es aber, wenn zwei Filme mit nahezu identischer Story parallel erscheinen. Sogenannte „Twin Movies“ lassen sich bis in die 1930er-Jahre zurückverfolgen, tauchen im moderneren Kino aber viel häufiger auf. Nicht verwunderlich, ist das Angebot doch stetig gewachsen. Und Drehbücher machen natürlich die Runde, bevor schlussendlich ein Studio anbeißt und den Sack zumacht. Die ursprüngliche Idee bleibt bei der Konkurrenz aber natürlich im Raum. Bewusst oder unbewusst - schließlich möchte man ja niemandem etwas unterstellen - fließen da vielleicht so manche Inhalte in eigene Skripts, die es ohne durch ein umhergeisterndes Drehbuch auf Suche nach Geldgebern in der Form nicht gegeben hätte. Von Projekt zu Projekt ist dies unterschiedlich zu bewerten, da vor allem zeitgeschichtliche Stoffe keinem Urheber zugeschrieben werden können, siehe „Christopher Columbus - Der Entdecker“ und „1492 - Die Eroberung des Paradieses“ (beide 1992). Wenn aber plötzlich Polizisten und ihre ungewollten Hunde in „Mein Partner mit der kalten Schnauze“ und „Scott & Huutsch“ (beide 1989) auftauchen oder der blechgewordene Witz auf vier Rädern in „Manta, Manta“ und „Manta - Der Film“ (beide 1991) über die Leinwände brettert, fragt man sich schon, ob da noch Kollege Zufall am Werk war oder man doch mal Rücksprache mit einem Anwalt halten sollte.

Die Liste der „Zwillingsfilme“ ließe sich mit „Das große Krabbeln“ und „Antz“ (1998), „Mission to Mars“ und „Red Planet“ (2000), „Prestige - Die Meister der Magie“ und „The Illusionist“ (2006), „Freunde mit gewissen Vorzügen“ und „Freundschaft Plus“ (2011), „Olympus Has Fallen“ und „White House Down“ (2013) oder „Hercules“ und „The Legend of Hercules“ (2014) noch unendlich fortsetzten, wobei wir uns da nur im Blockbuster-Bereich bewegen. Gräbt man sich dann noch durch frühere Videotheken-Ware, B-Movies und Direct-to-DVD-Produktionen und hört beim Streaming auf, hat man ein Fass ohne Boden.

1998 meinte es die Traumfabrik aber besonders gut mit unserem Planeten. Nicht nur, dass uns im Vorjahr mit „Volcano“ und „Dante’s Peak“ gleich zweimal die Vulkan-Hölle heiß gemacht wurde, nein, das reichte wohl noch nicht. Und so sollte uns kurze Zeit später gleich eine doppelte Apokalypse drohen. Während Hollywoods Radau-Bruder Nr. 1, Michael Bay („Bad Boys“, „The Rock“, „Transformers“ 1 bis 34), in „Armageddon - Das jüngste Gericht“ Bruce Willis und sein Team von Ölbohrexperten auf einem herannahenden Asteroiden absetzte, um die Welt mit viel Krach-Bumm und herrlich besungen von Aerosmith vor dem Untergang zu retten, ging die amerikanische TV- und Film-Regisseurin Mimi Leder mit ihrer zweiten Arbeit fürs Kino (nach „Projekt: Peacemaker“) mit leiseren Tönen und weniger launig zur Sache. Große Gänsehaut-Reden und triefenden Pathos finden wir zwar auch in „Deep Impact“, aber mit nachvollziehbarerem Heldentum und gedämpften Testosteron-Ausschuss.

1999 wurde es zwar mit „Stigmate“ und „End of Days - Nacht ohne Morgen“ (überraschenderweise beide mit Gabriel Byrne in komplett gegensätzlichen Rollen) gleich doppelt biblisch-apokalyptisch, was man wahrscheinlich der Angst vor dem nicht aufgetretenen Millenniums-Untergang zuschreiben darf, doch abseits von Emmerich’schen Zerstörungsorgien war der drohende Weltuntergang nie so emotional und packend dargestellt, wie in „Deep Impact“. Als wenn wir fürs Ende der Welt Hollywood brauchen würden. Pah… das schaffen wir auch alleine!

Ich seh‘ da was, was du nicht siehst…

Der Schüler Leo Biederman (Elijah Wood) ist mit seiner Gruppe von Hobby-Astronomen beim nächtlichen Sternegucken, als ihm ein undefinierbares Objekt ins Auge fällt. Ein Bild davon wird gleich an den Astronomen Dr. Marcus Wolf (Charles Martin Smith) geschickt, der das Material umgehend mit allen ihm zur Verfügung stehenden Daten abgleicht. Kein blinder Alarm, keine Sternschuppe oder ähnliches. Etwas Großes ist da im Anmarsch… mit direktem Kurs auf die Erde. Noch bevor Dr. Wolf, der sich in seiner Panik gleich hinters Steuer klemmte, die Behörden über dieses folgenreiche Phänomen unterrichten kann, kommt er mit seinem Wagen von der kurvigen Straße ab und stürzt in die Tiefe.

Ein Jahr später ist die Journalistin Jenny Lerner (Téa Leoni) an einer dicken Story dran, die sich um den plötzlichen Rücktritt des Finanzministers Alan Rittenhouse (James Cromwell) dreht. Angeblich zog er sich zurück, um sich besser um seine kranke Frau kümmern zu können, doch Anzeichen für eine Affäre lassen sich nur schwer von der Hand weisen. Über die Beziehung zu einer angeblichen „Ellie“ soll selbst der Präsident Tom Beck (Morgan Freeman) gewusst haben. Jennys Ermittlungen gingen jedoch in eine komplett falsche Richtung, entpuppt sich die vermeintliche Geliebte doch als „E.L.E.“… die Abkürzung für „Extinction Level Event“, ein Ereignis, welches drohendes Massenaussterben ankündigt.

 

Bevor falsche Informationen dir Runde machen, beschließt der Präsident, sich an die Öffentlichkeit zu wenden. In einer dramatischen Rede, bei der Millionen Haushalte gebannt vor den Bildschirmen kleben, erklärt Präsident Beck, dass sich ein Komet von der Größe New York Citys auf direktem Kollisionskurs mit der Erde befindet. Der errechnete Zeitpunkt des Aufschlags liegt ziemlich genau ein Jahr in der Zukunft. Allerdings war man bislang nicht untätig und hat gemeinsam mit den Russen an einem bis dato einzigartigen Unternehmen geschraubt. Unter dem Kommando des erfahrenen Apollo-Captains Spurgeon „Fish“ Tanner (Robert Duvall) soll sich eine kleine Crew zu dem Kometen, den man nach seinen Entdeckern „Wolf-Biederman“ getauft hat, aufmachen, um dort nach erfolgreichen Bohrungen Atomsprengköpfe zu platzieren. Sollte die sogenannte „Messiah“-Mission scheitern, könnten lediglich eine Million US-Bürger, von denen 800.000 nach dem Zufallsprinzip ermittelt würden, in eigens angelegten Höhlensystemen überleben. Die Zeit wird immer knapper und alle Hoffnung ruht auf „Fish“ und seinem jungen Team…

Ausgewogener Untergang

Dramaturgisch spielt „Deep Impact“ in der oberen Liga und die verschiedenen Handlungsstränge und die mit ihnen verknüpften Einzelschicksale lassen das Publikum auch nach 25 Jahren nicht kalt. Hier wussten die Autoren ganz klar, welche Knöpfe sie drücken müssen, um die Zuschauer mitzureißen oder gar zu Tränen zu rühren. Wir haben eine junge Liebe, auseinandergerissene Familien, Opferbereitschaft zum Wohl der Menschheit und einen rührenden Vater/Tochter-Konflikt zwischen Jenny und ihrem Dad Jason (gespielt von Maximilian Schell). Also alle Zutaten, die man für einen perfekten Katastrophenfilm so braucht. Und das funktioniert. Auch heute noch, wo wir gefühlt ein paar Schritte näher an Katastrophen sind, als noch 1998.

Überraschenderweise funktionieren auch die Spezialeffekte noch. Zwar sollte man diese nicht mit aktuellen Produktionen vergleichen, da heutige CGI-Gewitter den Chaos-Level bis unter die Decke pegeln können, aber das hat „Deep Impact“ gar nicht nötig. Meinen moderne Katastrophenfilme meist, dass sie mit dem größtmöglichen Getöse auffahren müssen, bleiben sie in ihrer Gesamtheit oft seelenlos. Meist hüpft irgendein Dwayne schwitzend durch die Gegend, scheppert frontal durch Tsunamis und hält mit der Faust ganze Erbeben auf, dafür bleibt dann aber komplett das Menschliche auf der Strecke. Fürs Auge ein großes „Hallo!“, doch reicht das für einen Katastrophenfilm, der mir eigentlich vermitteln soll, was für ein Schwein ich gerade habe, dass ich sicher im Kinosessel sitze, aus? Nein, wahrlich nicht. Das mag jeder anders sehen, aber bei einer solch dramatischen Thematik will ich emotional abgeholt und nicht von einer Pixel-Flut aus dem Saal gepeitscht werden. Effekttechnisch hält sich „Deep Impact“ angenehm zurück, auch wenn wir natürlich nicht komplett auf Schauwerte verzichten müssen. Den Figuren und ihren Schicksalen wird aber zu keiner Zeit die Show gestohlen. Das wäre auch zu tragisch, bei einem solchen Staraufgebot.

Die unaufdringliche Katastrophe

Zum Jubiläum hat Paramount „Deep Impact“ nun erstmalig auf eine UHD gepresst. Qualitativ auf sehr gutem Niveau, jedoch nicht in Referenz-Bereichen. Die Farben sind stets stimmig und angenehm unaufdringlich. Der natürliche Look passt zum Charakter des Films, der Geschichten über Menschen erzählen will und die Handlung nicht durch übermäßigen Effekteinsatz zu kaschieren versucht. Gelegentliche Unschärfen fallen zwar auf, trüben das Seherlebnis aber kaum merklich. Dank HDR10 und Dolby Vision haben wir ein sehr ausgewogenes und lebendiges Bild. Strukturen sind detailliert und der Schwarzwert ist satt. Viel mehr erwarte ich von einem Film von 1998 nicht. Dass die Spezialeffekte deutlich als solche herausstechen, kann und sollte man dem Film verzeihen. Schließlich stammt der Streifen nicht komplett aus dem Rechner, was mich anhand aktueller Ergüsse wie „Ant-Man and the Wasp: Quantumania“ immer wieder zweifeln lässt, ob solch künstliche Spielfilme nicht im reinen Animations-Genre besser aufgehoben wären. Die paar menschlichen Darsteller könnte man sich auch gleich schenken. „Deep Impact“ nutzt die Effekte so, wie sie gedacht sind: als visuelle Unterstützung, nicht als Ersatz.

Neben der UHD liegt dem Set auch die Blu-ray des Films bei. Auf dieser findet sich das komplette Bonusmaterial, bestehend aus einem Audiokommentar der Regisseurin Mimi Leder und des Visual-Effects-Supervisors Scott Farrar, den Featurettes Vorbereitung auf das Ende, Produktion eines Einschlags, Erschaffung eines perfekten Staus, Verschiedene Gedanken, sowie einer Foto-Galerie und dem Original-Trailer.

Fazit

Aufwühlendes und emotionales Katastrophen-Kino der späten 90er. Es menschelt mehr als bei anderen Genre-Vertretern, was der geballten A-Riege vor der Kamera zu verdanken ist. Auch nach 25 Jahren, die in der Filmwelt vor allem technisch Quantensprünge sind, noch sehr sehenswert. Außerdem beweist der Film, dass Elijah Wood schon vor seiner „unerwarteten Reise“ ein Faible für Ringe hatte.

Wertung: 8

Bilder: © 2023 Paramount Pictures

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